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02.05.2016 | Buchalik Brömmekamp | Mitteilung der Pressestelle
BGH - Insolvenzanfechtung von Ratenzahlungen – Pünktliche Ratenzahlung und Schuldnerauskünfte bieten dem Gläubiger keinen Schutz

· Allgemeine Schuldnerangaben zur positiven wirtschaftlichen Entwicklung, Auftragslage und beanstandungsfreier Zahlungsweise sind wertlos

· Pünktliche Ratenzahlung reicht als Annahme der Zahlungsfähigkeit des Schuldners nicht aus

· Prozessvergleiche mit Ratenzahlungsvereinbarung sind anfechtbar

Düsseldorf, 27.04.2016. Der Bundesgerichtshof hat wieder einmal (alle Entscheidungen unter www.insolvenzanfechtung-buchalik.de) die Problematik der Insolvenzanfechtung für Gläubiger durch ein weiteres Urteil erheblich verschärft. Die am 20.04.2016 veröffentlichte Entscheidung (BGH, Urt. v. 24.03.2016 – IX ZR 242/13) betrifft erneut das Dauerthema Ratenzahlungsvereinbarungen. „Die Entscheidung verschärft die Darlegungs- und Beweislast für den Gläubiger, der Ratenzahlungen gewährt, erheblich. Es ist bemerkenswert, dass allgemein gehaltene Angaben des Schuldners zu seiner positiven wirtschaftlichen Entwicklung, seiner guten Auftragslage und ein beanstandungsfreies Zahlungsverhalten gegenüber dem Gläubiger im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung nach Ansicht des BGH für den Gläubiger wertlos sein sollen“, meint Dr. Olaf Hiebert, Anfechtungsrechtsexperte der Wirtschaftskanzlei Buchalik Brömmekamp. Die Kenntnis des Gläubigers von einer einmal eingetretenen Zahlungsunfähigkeit wird nach Ansicht des BGH durch allgemeine Angaben in der Regel nicht wieder beseitigt.

Sensibilisierte Gläubiger waren in der Vergangenheit dazu übergegangen, sich vor Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung allgemein bestätigen zu lassen, dass der Kunde wieder zahlungsfähig sei. Ergänzt wurde dies häufig um allgemeine Angaben zur Auftragslage und wirtschaftlichen Entwicklung. Dies sollte – auch nach Einschätzung vieler Anfechtungsexperten – die Kenntnis des Gläubigers von einer Zahlungsunfähigkeit des Schuldners entfallen lassen, mit der Folge, dass nach Abschluss der Vereinbarung pünktlich gezahlte Raten im Fall der späteren Insolvenz nicht anfechtbar seien. „Ich habe immer davor gewarnt, auf allgemeine Angaben zu vertrauen und mindestens zu konkreten Auskünften geraten. So kann die Vorlage einer aktuellen OPOS-Liste und einer BWA genügen. Die Einholung eines mitunter sehr kostspieligen IDW-S6-Gutachtens wird ein gewöhnlicher Gläubiger nicht finanzieren wollen“, so Dr. Hiebert.

Interessant ist zudem, dass selbst die pünktliche Zahlung der vereinbarten Raten den Gläubiger in der Regel nicht vor einer Anfechtung schützt. Ein Punkt, der von vielen Juristen bisher völlig anders gesehen wurde.

Gläubiger in der Verantwortung

Die Rechtsprechung des Senats nimmt den Gläubiger in die Verantwortung. Ihm wird de facto eine Nachforschungspflicht auferlegt. „Ein Gläubiger kann sich nicht – wie in der Praxis häufig zu hören – darauf berufen, dass die vereinbarten Raten pünktlich gezahlt wurden und nach Angaben des Schuldners die Zahlungsfähigkeit wieder hergestellt sei“, so Dr. Hiebert, der hierin eine fundamentale Verschiebung der Darlegungs- und Beweislast sieht.

Vorsicht bei Ratenzahlungsvereinbarungen im Rahmen von Prozessvergleichen

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall betrieb die spätere Insolvenzschuldnerin ein Reisebüro und erwarb einen Reisebus. Der Kaufpreis wurde nicht vollständig gezahlt, die offene Kaufpreisforderung von der späteren Beklagten erworben und gerichtlich geltend gemacht. Die Parteien schlossen einen gerichtlichen Vergleich, der vorsah, dass die Schuldnerin den Vergleichsbetrag in festgelegten Raten zahle. Die Ratenzahlungen wurden der Schuldnerin nachgelassen, weil diese nach eigener Erklärung nicht in der Lage gewesen sei, den Vergleichsbetrag von 40.000 Euro in einer Summe zahlen zu können. Ein Vorgang der in deutschen Gerichtssälen gängige Praxis und Ausdruck einer vergleichsweisen Lösung ist. Der BGH wertete das liquiditätsbedingte Ersuchen um Ratenzahlung gerade als zusätzliches Indiz dafür, dass die Schuldnerin ihre Zahlungen eingestellt hatte.

Auch dass die Schuldnerin die Raten zunächst im Wesentlichen und ganz überwiegend pünktlich leistete, ändere nach Ansicht des Insolvenzrechtssenats nichts. Der Insolvenzverwalter verlangte sämtliche der geleisteten Raten, insgesamt 36.45,05 Euro von der Beklagten heraus. Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht gab ihr nur i.H.v. 1.985,05 Euro statt. Der BGH hob die Entscheidung des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück.

Insolvenzexperten empfehlen: Vor Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners konkret prüfen und dokumentieren.

Rechtsanwalt Dr. Olaf Hiebert empfiehlt: „Eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse ist vor Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung unabdingbar, um Anfechtungsrisiken zu begrenzen.“ Die Prüfung sollte durch gängige Mittel des betriebswirtschaftlichen Controllings erfolgen. „Wenn der Gläubiger eine OPOS-Liste und eine BWA vorlegen kann, die ein positives Zahlungsverhalten im Zeitpunkt zu Beginn des Ratenzahlungszeitraums dokumentiert, erhöhen sich die Chancen in einem späteren Anfechtungsprozess sehr deutlich“, erklärt Dr. Hiebert. Darüber hinaus werden aktuelle, positive Auskünfte von zahlreichen Wirtschaftsauskunftsdateien, wie etwa der Creditreform, von Gerichten vermehrt anerkannt. Eine Kopie des Auftragsbuches und ein qualifizierter Liquiditätsplan sind ferner hilfreich, in der Regel aber nicht von jedem Schuldner zu erlangen.

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