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10.06.2020 | | Mitteilung der Pressestelle
Coronakrise treibt die Insolvenzzahlen nach oben

Falkensteg Insolvenz-Report: Quartalszahlen bei Großinsolvenzen im Acht-Jahres-Hoch

Liquidität rückt wieder in den Mittelpunkt

Frankfurt. 9. Juni 2020. Die steigende Anzahl von Großinsolvenzen, die bereits im vergangenen Sommer begann, hat sich weiter fortgesetzt. Gleich 45 Unternehmen mit einem Umsatz größer 20 Mio. Euro mussten im ersten Quartal dieses Jahres einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Das sind zehn Unternehmen mehr als noch drei Monate zuvor. Das erste Quartal weist zudem die höchsten Drei-Monat-Zahlen der vergangenen acht Jahre auf. Die Covid-19-Pandemie dürfte aber nur als Brandbeschleuniger wirken.

„Wir sehen die ersten Vorläufer einer Insolvenzwelle. Die meisten Unternehmen, die einen Antrag stellen mussten, waren teilweise schon angeschlagen, in finanziellen Schwierigkeiten oder sogenannte Zombieunternehmen. Covid-19 hat den letzten Impuls gegeben, jedoch ist die Pandemie nicht der alleinige Auslöser der Insolvenzen“, weiß Falkensteg-Partner Johannes von Neumann-Cosel im neuen Finance-Insolvenz-Report. Die Restrukturierungsberatung Falkensteg recherchiert alle drei Monate das Insolvenzgeschehen.

Textilbranche und Automotiv stark betroffen

Die bereits krisenbehaftete Automobil- und Textilindustrie waren in den ersten drei Monaten dieses Jahres von den Insolvenzen besonders stark betroffen. Jeweils sieben Unternehmen kamen aus diesen Branchen. Allen voran die Modekette Esprit, die für mehrere deutsche Tochtergesellschaften einen Schutzschirm aufspannte. Im Rahmen des Schutzschirmverfahrens wolle Esprit Verbindlichkeiten und langfristige Mietverträge neu strukturieren. Ebenfalls will sich der Fahrzeugpflegedienstleister und Logistiker Arwe Group durch eine Insolvenz in Eigenverwaltung sanieren. Eine „sich seit längerem abzeichnende, schwierige wirtschaftliche Lage in den Kernmärkten“ habe sich laut Unternehmen durch die Auswirkungen des Coronavirus so verschlechtert, dass das Geschäft nicht mehr auf solider finanzieller Basis fortzuführen gewesen sei. „Inzwischen wird klar, dass voraussichtlich nur Bruchstücke des Unternehmens gerettet werden können. Zu unklar ist die Situation rund um die weitere Entwicklung der Covid-19-Pandemie“, kommentiert Falkensteg-Partner Johannes von Neumann-Cosel.

Die meisten Insolvenzanträge stellten Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 20 und 50 Millionen Euro. Mit 23 Anträgen blieb die Zahl auf gleichem Niveau zum Vorquartal. Ab 50 Millionen Euro Umsatz stiegen die Antragszahlen dagegen um 40 Prozent von zehn auf 14 und bei Unternehmen größer 100 Mio. Euro Umsatz sogar von zwei auf acht Firmen.

„Covid-19 hat bei den Finanzierern dazu geführt, wieder mehr die Risikogesichtspunkte und nicht nur hervorragende Geschäftsmodelle bei der Kreditvergabe in den Mittelpunkt zu rücken. Das haben wir schon bei der Finanzkrise 2008 beobachtet“, erklärt von Neumann-Cosel. Meist lehnten die Banken die deutlich reduzierte Haftung bei den KfW-Krediten, besonders bei mittelständischen Unternehmen, ab und selbst bei der vollen Haftungsbefreiung verweigerten sie einen Förderkreditantrag bei Krisenunternehmen. Dann bleibt meist nur der Gang zum Insolvenzgericht. Anders scheint sich die Situation für große, börsennotierte Unternehmen darzustellen.

Auswirkungen werden in manchen Branchen erst später sichtbar

Viele Insolvenzverwalter stellen sich laut der Covid-19-Studie von Falkensteg auf arbeitsreiche Monate ein: Im Herbst dieses Jahres rechnen sie mit deutlich steigenden Unternehmenspleiten. Insgesamt wird erwartet, dass die Zahl der insolventen Unternehmen in diesem Jahr um mehr als 20 Prozent steigt. Im Vorjahr wurden 18.749 Unternehmensinsolvenzen gemeldet.

Der Falkensteg-Sanierungsexperte erwartet einen nach Branchen differenzierten Anstieg der Firmenpleiten: „Die meisten Maschinenbauer hatten zu Beginn der Pandemie noch volle Lager und Auftragsbücher. Die Kunden haben weiterhin die Produkte abgenommen und der Einfluss ist derzeit eher gering. Neue Aufträge werden allerdings nur vermindert kommen und dann schlagen die Auswirkungen später noch durch.“ Anders in der Automobilindustrie, in der die OEM ihre Werke geschlossen und keine Waren mehr abgerufen haben, und bei Händlern, deren Umsätze nach dem Shutdown auf null fielen. „Diese Fälle sehen wir gerade. Die große Welle kommt erst Ende September, wenn die Frist zur Aussetzung der Antragstellung endet. Sollte sie verlängert werden, könnte sich der Anstieg nach hinten verzögern“, so von Neumann-Cosel.

Liquidität rückt wieder in den Mittelpunkt

Mit der Coronakrise rückt wieder eine alte Weisheit in den Mittelpunkt „Cash is king“. „Vielfach fahren die Unternehmen bei der Liquidität nur auf Sicht, aber in dieser Zeit herrscht viel Nebel. Das könnte bei den ersten Schritten aus dem Shutdown den Unternehmen auf die Füße fallen“, so der Sanierungsexperte. Dabei schwingen die Unsicherheiten mit, wie stark die Bestellungen wieder steigen werden, ob die Kunden und Lieferanten noch solvent sind oder die Produkte während der Pandemie überflüssig wurden. Gleichzeitig könnte die Krise wieder aufflammen, beispielsweise beim Start der nächsten Grippezeit im Herbst, und damit ein erneuerter Shutdown drohen. Die Etablierung der richtigen Liquiditätsplanung ist deshalb existenziell. „Der Blick in den Rückspiegel hilft in dieser Phase nicht, deshalb müssen die Finanzchefs viele Gespräche mit Lieferanten und Kunden führen. Nur so erhalten sie ein Gefühl für sichere Lieferketten, das richtige Einkaufsvolumen und die passgenauen Abnahmemengen“, erklärt Johannes von Neumann-Cosel.

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