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04.11.2013 | Das Berliner Restrukturierungsforum | Mitteilung der Pressestelle
Die liebe Not mit notleidenden Immobilienkrediten

Viertes Berliner Restrukturierungsforum

Berlin, 1. November 2013. Das vierte Berliner Restrukturierungsforum widmete sich am 29. Oktober dem Thema „Die liebe Not mit notleidenden Immobilienkrediten“. Zwei Vertreter der Grundpfandgläubiger, Annette Benner und Mathias Hartig, berichteten über die Behandlung von Immobilienkrediten in ihren Häusern und diskutierten zusammen mit einem Insolvenzverwalter, Dr. Christoph Schulte-Kaubrügger, und einem Sanierungsberater, Dr. Stefan Sax, über die Möglichkeiten in der Krise und in der Insolvenz.

Dr. Stefan Sax, Partner bei Clifford Chance, eröffnete mit seinem Impulsvortrag „Interessengleichlauf oder -kollision: Was wollen die Stakeholder?“ das vierte Berliner Restrukturierungsforum. Als erfahrener Sanierungsberater kennt er das weit verbreitete Problem, dass Sanierungsmaßnahmen oft zu spät eingeleitet werden, zur Genüge. Das betrifft auch Immobiliengesellschaften. Kritisch steht er vor allem dem Verkaufsprozess vor Ablauf der Darlehenslaufzeit gegenüber, der vom Gesellschafter gesteuert und vom Finanzgläubiger geduldet wird. Aus seiner Sicht sei das sehr häufig eine reine „Beruhigungspille“ für alle Beteiligten. Zu diesem Zeitpunkt sei das zu aufwendig, teuer und langwierig und ende meist ohne einen Verkauf, was nicht überraschend sei. Wenn ein Insolvenzverfahren nicht mehr vermieden werden kann, gibt es laut Sax in der Theorie die Möglichkeit der Zwangsversteigerung und in der Praxis die freihändige Veräußerung durch den Insolvenzverwalter. Neben der Zwangsverwaltung sei die „kalte Zwangsverwaltung“ durch den Insolvenzverwalter eine Option.

Nach dem Impulsreferat waren die Teilnehmer der Podiumsdiskussion am Zuge. Das Podium – moderiert von Dr. Kirsten Schümann-Kleber (Partner GÖRG Rechtsanwälte) – war neben Dr. Sax mit namhaften Referenten besetzt: Annette Benner (Deputy General Counsel – Europe bei Hatfield Philips), Mathias Hartig (Abteilungsdirektor Bereich Risikobetreuung Landesbank Berlin) und Dr. Christoph Schulte-Kaubrügger (Partner White & Case).

Immobilienkredite werden bei der Landesbank Berlin streng überwacht und anhand branchentypischer Risikoklassen bewertet. In der Abteilung Risikobetreuung bei Mathias Hartig landen erst die kritischen Fälle. Wichtig aus seiner Sicht: Man muss frühzeitig auf die Kreditnehmer zu gehen, mit ihnen sprechen und Lösungen erarbeiten. Bei Hatfield Philips werden Darlehen noch stärker – vor allem durch regelmäßiges engmaschiges Reporting – überwacht, so Annette Benner.

Gerät ein Immobilienkredit dann in Not, sind verschiedene Wege möglich. Hartig hält es dabei wie Margaret Thatcher „Wir wollen unser Geld zurück“. Deswegen steckt er auch kein weiteres Geld in eine aussichtslose Immobilie, sondern wählt dann lieber den Weg der Insolvenz. Diese wird aber von der Landesbank nicht grundsätzlich angestrebt. „Es kommt immer auf die Situation an. Außerdem wägen wir ab, wie teuer eine Insolvenz ist und im Gegenzug wie teuer es wäre, wenn wir das Engagement fortführen“, berichtet Hartig. Aus seiner Sicht ist die Insolvenz ein opportuner Weg genauso wie die Zwangsverwaltung/-Zwangsversteigerung. Beides könne zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen.

Annette Benner würde eine einvernehmliche Lösung einer Insolvenz vorziehen, wenn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind. Fehlt jedoch das Vertrauen für eine einvernehmliche Lösung, steht auch sie einer Insolvenz offen gegenüber, denn das Insolvenzrecht in Deutschland ist aus ihrer Sicht nicht so schlecht. „Positiv finde ich vor allem die schnelle Entscheidung vom Insolvenzgericht, wenn wir als Gläubiger einen Antrag stellen. Was man im internationalen Vergleich so gar nicht versteht, ist, warum das Verfahren insgesamt so lange dauert“, so Benner.

Mit der Auswahl der Insolvenzverwalter gehen beide Vertreter der Grundpfandgläubigerseite sehr offensiv um. Die Anforderungen von Benner an den Verwalter sind klar: Er muss erfahren mit Immobilieninsolvenzen sein und die hohen Anforderungen im Rahmen einer verbrieften Darlehensstruktur insbesondere beim Reporting erfüllen können. Hierzu gehört auch der sichere Umgang mit der englischen Sprache. Mit den deutschen Gerichten hat Benner bisher sehr unterschiedliche Erfahrungen – hinsichtlich der Verwalterauswahl und Verwalterbestellung – gemacht.

Dr. Christoph Schulte-Kaubrügger sieht seine Aufgabe als Insolvenzverwalter bei Immobilieninsolvenzen darin, „die Immobilie wieder in den Griff zu kriegen“. Denn die Ausgangssituation bei Immobilieninsolvenzen sei häufig sehr ähnlich: Es herrsche Unordnung und Intransparenz. Als Insolvenzverwalter müsse er das beseitigen und eventuell auch den Property oder Asset Manager austauschen. Damit erbringt der Insolvenzverwalter eine Dienstleistung für den Grundpfandgläubiger, so Dr. Schulte-Kaubrügger.

Auffällig aus seiner Sicht: Grundpfandgläubiger involvieren sich außergewöhnlich intensiv bei Immobilieninsolvenzen. Das komme daher, dass sie vorher nicht an die Gesellschaft herankommen. Das sei in der Insolvenz völlig anders. Und diese Möglichkeit werde gern ergriffen. Hartig kann dem nur zustimmen: „Es ist unser Risiko und unser wirtschaftliches Interesse. Daher wollen wir mitspielen“. Die Landesbank Berlin möchte den gesamten Prozess mitbegleiten – von der Transparenzherstellung bis hin zum M&A. Noch weitergehender als Hartig möchte Benner die Auswahl des Asset oder Transaktion Managers nicht nur begleiten, sondern den Prozess gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter aktiv gestalten. Sie fordert hier ein klares Mitspracherecht bei den entsprechenden Entscheidungen ein.

Die Aussage, der Dr. Schulte-Kaubrügger an diesem Abend entschieden entgegentrat, war, dass in der Insolvenz die Preise fallen. „Diese weit verbreitete Behauptung ärgert mich maßlos. Denn genau das Gegenteil ist der Fall“, so der Insolvenzverwalter.

Das Berliner Restrukturierungsforum brachte mit seiner vierten Veranstaltung rund 80 Experten der Sanierungsbranche zusammen. Die Organisatoren, Dr. Kirsten Schümann-Kleber von GÖRG Rechtsanwälte und Burkhard Jung von hww wienberg wilhelm, freuten sich über die gelungene Veranstaltung und den großen Zuspruch. Jung ist überzeugt: „Wir haben mit dem Berliner Restrukturierungsforum eine nachhaltige Veranstaltung auf den Plan gebracht. Wir alle haben Spaß daran: Spaß an den Themen und Spaß am Austausch.“

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