Pressemitteilungen

21.04.2015 | Düsseldorfer Restrukturierungsforum | Mitteilung der Pressestelle
Das Anfechtungsrecht ist kein Sanierungskiller

Düsseldorfer Restrukturierungsforum: „Insolvenzanfechtung: Gläubigerschutz vs. Sanierungskiller“

Düsseldorf, 17. April 2015. Das fünfte Düsseldorfer Restrukturierungsforum widmete sich dem spannenden und aktuellen Thema „Insolvenzanfechtung: Gläubigerschutz vs. Sanierungskiller. Hochaktuell ist es vor allem durch den vor einem Monat veröffentlichten Referentenentwurf für die Anpassung des Insolvenzanfechtungsrechts. Fast 200 Gäste verfolgten am 14. April 2015 die lebhafte Diskussion zwischen Dr. Susanne Berner, Dr. Gerrit Hölzle, Prof. Dr. Georg Streit und Carsten Wesche.

Eröffnet wurde der Abend mit einem Impulsvortrag von Prof. Dr. Georg Streit, Rechtsanwalt und Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek. Aus seiner Sicht ist das derzeitige Anfechtungsrecht sicherlich kein Sanierungskiller. Allerdings können Versuche von Beteiligten wie Lieferanten, Warenkreditversicherern und Banken, die Risiken der Insolvenzanfechtung durch ein besonders unnachgiebiges Verhalten und die Verweigerung eigentlich sinnvoller Ratenzahlungsvereinbarungen zu vermeiden, die Liquiditätsprobleme des Schuldners verschärfen und damit die außerinsolvenzliche Sanierung gefährden. Von daher begrüßt Prof. Dr. Streit punktuelle Anpassungen des Anfechtungsrechts.

Dr. Gerrit Hölzle, Rechtsanwalt und Partner GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, war da anderer Meinung: „Das Problem ist beileibe nicht so groß, wie es dargestellt wird.“ Seiner Ansicht nach fordern der Fiskus, die Sozialversicherungsträger und die Industrieverbände am stärksten Änderungen am Insolvenzanfechtungsrecht. „Wir haben in Deutschland kein Insolvenzanfechtungs- sondern ein Insolvenzverschleppungsproblem. Wir müssen den Makel der Insolvenz endlich ablegen“, betonte Dr. Hölzle. Er ist der Ansicht, dass der Gesetzgeber nicht gefordert ist. Der BGH werde deutlich kritischer. Eine Anpassung sei daher nicht notwendig.

Verständlicherweise sah das Carsten Wesche, Rechtsanwalt im Geschäftsbereich Recht und Betriebswirtschaft des BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., als Vertreter eines Industrieverbandes anders. „Für die Energielieferanten ist es wirklich ein Problem. Denn diese werden häufig nach Schema F angefochten. Immer in der Erwartung, dass sie einen Vergleich suchen“, so Wesche. Der Aufklärungs- und Fortbildungsbedarf sei bei den Unternehmen sehr groß. Der BDEW bietet daher sehr gut besuchte Seminare wie „Kundeninsolvenz – Rückforderung durch den Insolvenzverwalter“ an. Denn es sei in der Tat nicht leicht, insolvenzfeste Forderungen zu stellen. Aber, so betont er, keiner der Verbände hat die Abschaffung des Anfechtungsrechts gefordert. Vielmehr müsse eine klarere Trennlinie gefunden werden. Den Referentenentwurf vom 16. März 2015 bewertet Wesche grundsätzlich als positiv: „Weitestgehend enthält dieser die Änderungen, die wir uns gewünscht haben. Aber die Regelung sollte noch prägnanter formuliert werden, um mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu bieten.“

Dr. Susanne Berner, Rechtsanwältin bei der Dr. Berner Insolvenzverwaltung und Vorstandsvorsitzende NIVD Neue Insolvenzverwaltervereinigung Deutschlands e.V., empfindet die Diskussion aus Sicht der Insolvenzverwalter eher als kurios. Es existieren keine empirischen Studien, die dem zu Grunde liegen. Die Kritik beruhe wohl eher auf Vermutungen und persönlichen Eindrücken. Sie vertritt daher die klare Position: „Das Anfechtungsrecht sollte nicht durch weitere Anpassungen entwertet werden. Es soll so bleiben wie es ist“. Den Referentenentwurf sieht Dr. Berner kritisch. Er böte wieder großen Auslegungsspielraum. Auch mit den Anpassungen werde die Diskussion nicht beendet sein.

Nach Auffassung von Prof. Dr. Streit liegt dagegen schon ein gewisses Problem vor. Daher sei es richtig, dass man maßvolle Anpassungen vornimmt. „Graduelle Anpassungen sind sinnvoll. Aber: Nicht die Insolvenzverwalter haben dies zu verantworten, sondern die komplexe Rechtsprechung, mit der Vermutung eines Benachteiligungsvorsatzes auch bei redlich handelnden Unternehmern, ist der Hauptgrund dafür“, so der Rechtsanwalt. Sein Wunsch – neben der Anpassung des Anfechtungsrechts: Die Gerichte sollten Kompetenzen bündeln und vor allem die Qualität der Rechtsprechung in den unteren Instanzen sollte verbessert werden. Denn augenblicklich würde der Gang in eine erste Instanz schnell zum Glücksspiel werden.

Am Ende wagten die vier Panelisten einen Blick in die Zukunft: Wo sehen sie die Insolvenzanfechtung in fünf Jahren? Dr. Hölzle glaubt, dass es zu einer deutlichen Reduzierung der Eröffnungsquoten kommen wird. Und er geht sogar noch einen Schritt weiter: Sollte das Anfechtungsrecht geändert werden, dann sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich der Fiskus und auch die Sozialversicherungsträger mit ihren schon vielfach platzierten Forderungen nach einer Einschränkung des Anfechtungsrechts auch und vor allem ihnen gegenüber durchsetzen. Dann wären die Eröffnungsquoten ernsthaft in Gefahr. Dr. Berner und Prof. Dr. Streit sehen das ganz anders: Beide glauben nicht, dass sich viel ändern wird und Eröffnungsquoten wegbrechen. Prof. Dr. Streit hofft, dass „wir etwas mehr Sanierungsfreude sehen werden, da sich die Unsicherheit bezüglich der Anfechtung durch die Anpassung verringern wird“. Wesche hofft, dass dann mit mehr Augenmaß geurteilt wird.

Die Veranstalter des Düsseldorfer Restrukturierungsforums sind Deloitte, hww hermann wienberg wilhelm, SK Dienstleistungs GmbH, Taylor Wessing und White & Case. Im Herbst 2015 findet die nächste Ausgabe des Düsseldorfer Restrukturierungsforums statt.

Der WBDat.-E-Mail-Newsletter zum Insolvenzgeschehen:
Unser kostenloser Service für Sie. Täglich auf dem neuesten Stand.

abonnieren