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08.11.2016 | Münchener Restrukturierungsforum | Mitteilung der Pressestelle
Schlussverkauf – wo liegt die Zukunft des Einzelhandels?

München, 7. November 2016. „Schlussverkauf – wo liegt die Zukunft des Einzelhandels?“ – diesem hoch aktuellem Thema widmete sich am 26. Oktober 2016 das Münchener Restrukturierungsforum, das in diesem Jahr sein fünfjähriges Bestehen feierte. Über 100 Gäste wollten wissen, wie die Zukunft des deutschen Einzelhandels aussieht und wie dieser sich zukünftig aufstellen muss, um u.a. gegen den Onlinehandel zu bestehen. Die Referenten waren sich einig: Der Einkauf muss als Erlebnis gestaltet, on- und offline müssen vernetzt, es muss ein spannender Markenmix vorgehalten sowie Mitarbeiter motiviert und qualifiziert werden.

Der deutsche Einzelhandel – allen voran die Modebranche – macht derzeit durch seine Krisen Schlagzeilen. Fast jeden Tag liest man Meldungen über kriselnde Einzelhändler. Ob Wöhrl, SinnLeffers oder Strauss Innovation – die Modebranche scheint in Deutschland vor einer Neuausrichtung zu stehen. Der Frage, wo die Zukunft der deutschen Einzelhändler liegt, ging das Münchener Restrukturierungsforum nach.

Dr. iur. Christian Gerloff (Rechtsanwalt und Partner bei Gerloff Liebler Rechtsanwälte) verdeutlichte in seinem Impulsreferat, dass die Krise des stationären Einzelhandels alle Branchen betrifft und alle ein- und dasselbe Problem haben: den Onlinehandel. Dabei träfe den deutschen Modeeinzelhändler eine Besonderheit: „Er befindet sich in der so genannten Z-Falle. Er wird zerrieben zwischen Onlinehändlern wie Zalando und vertikalisierten Händlern wie Zara“, erläuterte Dr. Gerloff. Er zeigte zudem die Probleme des Einzelhandels und die Auswirkungen des Onlinehandels auf diesen auf. Am Ende beantwortete er die Frage, wie der stationäre Einzelhandel zukünftig bestehen kann: Einkauf als Erlebnis gestalten, spannenden Markenmix mit einer starken, ggf. örtlichen Marke bieten, Beratungskompetenz zeigen, Onlinehandel und stationären Einzelhandel vernetzen – waren nur einige der Ansatzpunkte. Erstes Ziel müsse es sein, den Kunden wieder zurück in das Geschäft zu bekommen. „Das ist aber nicht so einfach, denn der Kunde ist mittlerweile sehr verwöhnt und kauft nur noch selten zu Vollpreisen“, berichtete Dr. Gerloff. Mit einer provokanten These sorgte der erfahrene Rechtsanwalt dann für Diskussionsstoff: „Bei der Rettung des stationären Einzelhandels darf es keine heiligen Kühe geben. Auch das Thema Öffnungszeiten sollte angefasst und Sonntagsöffnungszeiten sollten ernsthaft in Betracht gezogen werden“. Jedoch sei er nicht unbedingt für eine Ausweitung der Öffnungszeiten sondern für eine Verlagerung. Ein Thema, bei dem sich die Teilnehmer in der anschließenden Podiumsdiskussion nicht einige waren.

In der Podiumsdiskussion appellierte Carsten Paris (Geschäftsführer und Partner, ICS Partners GmbH) an den stationären Händler. Dieser sollte auf der einen Seite seine Hausaufgaben machen und Themen wie Vertrieb und Logistik in den Griff bekommen. Auf der anderen Seite sollte der Kunde im Fokus stehen und diesem ein Erlebnis geboten werden. Nach Ansicht von Paris würde das bei ganz banalen Dingen wie einem vernünftigen Kaffee anfangen. Gleichzeitig räumte der erfahrene Interimmanager ein, dass es auch diverse Onlinehändler gäbe, die ihr Handwerk nicht verstehen. Paris vertrat in der Diskussion auch mit Blick auf Unternehmen, die bereits mehrfach in die Insolvenz geschlittert sind, die klare Meinung, dass ein Unternehmen auch vom Markt verschwinden müsste, wenn dessen Geschäftsmodell obsolet sei. „Als Unternehmer muss ich dann auch den Mut haben zu sagen, jetzt mache ich zu. Entweder weil sich mein Geschäftsmodell nicht mehr trägt oder überlebt hat, ich für einen Turnaround nicht ausreichend liquide Mittel habe bzw. beschaffen kann oder mir das richtige Managementteam für diese Aufgabe fehlt“, so Paris.

Ansgar Obermüller (Abteilungsleiter Group Intensive Care Corporates Süd-Ost bei der Commerzbank AG) zeigte sehr differenziert, was die derzeitige Situation des Einzelhandels betrifft. Es gäbe auf der einen Seite nach wie vor Unternehmen, die erfolgreich sind. Auf der anderen Seite gibt es seiner Meinung nach aber auch die klassischen Verlierer. Das seien aus seiner Sicht Unternehmen, bei denen das Geschäftsmodell nicht auf die Kunden ausgerichtet ist. „Wer nicht auf seine Kunden und deren Bedürfnisse eingeht, der verliert. Viele Unternehmen haben kundenspezifische Daten, nutzen diese jedoch nicht. Damit vergeben sie sich wichtige Marketingchancen“, so der Banker. Auch Obermüller griff das Thema Erlebniskultur auf. Dabei würden vor allem die Mitarbeiter entscheidende Rolle spielen: „Wir müssen aus der Servicewüste Deutschland rauskommen. Die Mitarbeiter müssen auf den Kunden zugehen, dessen Wunsch richtig erfragen und dann das richtige Produkt empfehlen“. Weiterhin sah der erfahrene Banker ein großes Problem auf kommunaler Ebene: Viele Städte hätten ihr Gesicht verloren, was für die stationären Händler die Situation verschärfe. Hier sei die Kommunalpolitik gefragt.

Die Podiumsdiskussion vervollständigte Daniel Thomasius (Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei der SportScheck GmbH). Auch er berichtete, dass viele Händler mit dem Frequenzwegfall zu kämpfen hätten. D.h. deutlich weniger Kunden vor allem in die kleineren Städte kämen. Das würden seine Kollegen und er bei ihrer täglichen Arbeit bemerken. Aus eigener Erfahrung berichtete Thomasius zudem davon, dass auch bei SportScheck viel mehr Technik genutzt werde – und so zum Beispiel jeder Mitarbeiter im Geschäft mit einem Tablet versehen wurde. „Das war zunächst eine Umstellung für einige Kollegen, aber es ziehen alle an einem Strang und stehen voll dahinter“, so der Gesamtbetriebsratsvorsitzende. Auch der Aspekt Kundenberatung steht bei SportScheck im Fokus. So wurde jüngst eine Schulungsoffensive für die Verkaufsmitarbeiter gestartet.

Das Münchener Restrukturierungsforum brachte mit seiner Veranstaltung rund 100 Experten der Sanierungsbranche zusammen. Zu seinem fünfjährigen Bestehen hat sich einmal mehr gezeigt, dass sich das Restrukturierungsforum fest im Münchener Restrukturierungsmarkt etabliert hat.

Das Münchener Restrukturierungsforum ist eine Plattform für Experten der Branche und wird von anchor Rechtsanwälte, Deloitte, GSK Stockmann + Kollegen und hww hermann wienberg wilhelm in München veranstaltet. Es bringt zwei Mal pro Jahr alle an der Sanierung eines Unternehmens Beteiligte zusammen. Hochrangige Gäste stellen aus verschiedenen Blickwinkeln ein aktuelles Thema vor und teilen ihr Expertenwissen mit den Gästen in der Diskussion. Im Frühjahr 2017 findet die nächste Ausgabe des Münchener Restrukturierungsforums statt. Weitere Informationen finden Sie unter: www.muenchener-restrukturierungsforum.de.

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