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08.02.2017 | Schultze & Braun | Mitteilung der Pressestelle
Unionmatex - Insolvenzverwalter strebt Klage gegen Turkmenistan vor einem internationalen Schiedsgericht der Weltbank an

Nach massiven Interventionen turkmenischer Behörden und ausbleibenden Zahlungen bei mehreren Projekten musste Unionmatex 2014 Insolvenzantrag stellen

Ansprüche belaufen sich auf mindestens 26 Millionen Euro

Turkmenische Gerichte entscheiden politisch – oder gar nicht

Chemnitz. Der Insolvenzverwalter der Unionmatex Industrieanlagen GmbH, der Chemnitzer Rechtsanwalt Dr. Dirk Herzig von Schultze & Braun, strebt eine Klage gegen Turkmenistan an. Er wirft dem Staat vor, durch ständige Einmischung und verzögerte oder gänzlich verweigerte eigene Mitwirkung an mehreren gemeinsamen Projekten in Turkmenistan hauptverantwortlich für die Insolvenz der Chemnitzer Unionmatex Industrieanlagen GmbH zu sein. Dr. Dirk Herzig macht insgesamt mindestens 26 Millionen Euro Ansprüche gegenüber Turkmenistan geltend.

Der Hintergrund: Nachdem das Unternehmen eine öffentliche Ausschreibung gewonnen hatte, schloss Unionmatex im Jahr 2008 auf ausdrückliche Veranlassung des turkmenischen Präsidenten Gurbanguly Berdimuhamedow zunächst Verträge über den schlüsselfertigen Bau von fünf Getreidemühlen und zwei kleinen Einkaufszentren mit integrierten Bäckereien in mehreren turkmenischen Ortschaften mit Turkmengallonumleri Cereal Products Association (kurz: GALLA) ab. GALLA ist ein Staatsunternehmen für Landwirtschaft und Getreideverarbeitung unter der Kontrolle des turkmenischen Landwirtschaftsministeriums. Noch im Laufe des Jahres 2008 kam der Vertrag über den Bau eines weiteren Einkaufszentrums hinzu. Insgesamt belief sich die Vertragssumme auf knapp 150 Millionen Euro. Bis zum Jahr 2011 sollten die Anlagen errichtet sein.

„Aber von Beginn der Arbeiten an kam es zu Verzögerungen, weil turkmenische Behörden Zoll- und Visafreigaben nicht rechtzeitig erteilten oder GALLA vereinbarte Anzahlungen nicht leistete. Auf den Baustellen gab es nicht einmal Gas, Wasser und Energie, obwohl GALLA das zugesichert hatte“, berichtet Insolvenzverwalter Dr. Herzig. „Das führte zu Verzögerungen, während gleichzeitig die turkmenische Polizei, die Staatsanwaltschaft und der Geheimdienst auf den Baustellen massiv Druck ausübten, um eine fristgerechte Fertigstellung zu erreichen.“

Durch die ständigen Behinderungen stiegen die Kosten für Unionmatex massiv. Nach einem vorläufigen Baustopp Ende 2010 einigten sich Unionmatex und GALLA schließlich auf eine zusätzliche Vergütung des Mehraufwandes für das Chemnitzer Unternehmen in Höhe von 14 Millionen Euro. Zwar wurden die Bauarbeiten im März 2011 wieder aufgenommen, jedoch kam es weiterhin zu Schwierigkeiten durch die Einmischung turkmenischer Behörden und andauernde Zahlungsverweigerungen seitens GALLA. Nach einem erneuten Baustopp Ende 2011 übernahm GALLA zunächst selbst mit nicht autorisierten Arbeitern den weiteren Bau, konnte die Projekte allerdings nicht fertigstellen. Zudem forderte GALLA Unionmatex auf, gegen die Zahlung von 500.000 Euro auf alle weiteren Ansprüche zu verzichten. „Das konnte die Geschäftsführung von Unionmatex natürlich keinesfalls akzeptieren“, sagt Dr. Herzig.

Nach ergebnislosen Verhandlungen unter Einbeziehung höchster politischer Kreise erhob GALLA schließlich im August 2012 Klage gegen Unionmatex vor einem turkmenischen Gericht, um die bestehenden Verträge aufheben zu lassen. Das Gericht gab dem statt, GALLA vergab die Projekte an türkische Unternehmen.

„Der Ablauf des Verfahrens widersprach allen rechtsstaatlichen Grundsätzen“, sagt Insolvenzverwalter Dr. Herzig. „Der Anwalt der Unionmatex durfte an der Verhandlung zum Beispiel gar nicht teilnehmen. Er wurde von der turkmenischen Regierung offenbar massiv unter Druck gesetzt, bis er schließlich sein Mandat niederlegte. Eine im Oktober 2012 von Unionmatex eingereichte Klage auf Zahlung der Abschlussvergütung und Herausgabe von enteigneten Baumaschinen des Unternehmens wird von turkmenischen Gerichten überhaupt nicht bearbeitet. Die ausstehenden Zahlungen haben schließlich dazu geführt, dass Unionmatex 2014 den Geschäftsbetrieb einstellen und Insolvenz anmelden musste. Der ganze Vorgang widerspricht dem Investitionsschutzabkommen, das Deutschland und Turkmenistan abgeschlossen haben.“

Nachdem mehrere Versuche einer außergerichtlichen Einigung scheiterten, will Dr. Herzig nun den Klageweg vor einem internationalen Schiedsgericht auf der Grundlage des deutsch-turkmenischen bilateralen Investitionsschutzabkommens beschreiten. „Mit Hilfe der Spezialisten der internationalen Abteilung von Schultze & Braun sowie mit einem erfahrenen Anwaltsteam von Gleiss Lutz, die schon einmal ein Verfahren gegen Turkmenistan erfolgreich bestritten haben, dem ebenso willkürliches staatliches Verhalten zu Grunde lag, werden wir ein Schiedsverfahren vor dem International Centre for Settlement of Investment Disputes einleiten, das bei der Weltbank in Washington angesiedelt ist“, erklärt Dr. Herzig. „Zunächst aber liegt der Ball noch einmal auf der Seite Turkmenistans. Es läuft eine sechsmonatige Frist, die Klage doch noch abzuwenden.“

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