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09.07.2019 | Verband Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) | Mitteilung der Pressestelle
Stellungnahme des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer z

A. Vorbemerkung

Die nachfolgende Stellungnahme beschränkt sich auf die im Referentenentwurf (im Folgenden: RefE) vorgeschlagenen Neuregelungen mit insolvenzrechtlichem Bezug.

1. Zum Ausbau der Spezialisierung der Gerichte in Zivilsachen in Bezug auf insolvenzbezogene Streitigkeiten - §§ 72a, § 119a GVG-E.

Der RefE sieht dazu vor, den Katalog der obligatorischen Spezialspruchkörper bei den Land- und Oberlandesgerichten um die Rechtsmaterie der insolvenzbezogenen Streitigkeiten sowie der Anfechtungssachen nach dem Anfechtungsgesetz zu erweitern. Durch die Einführung von Spezialspruchkörpern soll die Qualität der richterlichen Arbeit gesteigert und eine effiziente Verfahrensführung in wichtigen Rechtsbereichen begünstigt werden.

Daneben sollen die Landesregierungen ermächtigt werden, landesweit spezialisierte Spruchkörper einzurichten und Rechtsstreitigkeiten an ausgesuchten Gerichten zu konzentrieren. Die Ermächtigung kann dabei auf die Landesjustizverwaltungen übertragen werden.

Insolvenzbezogene Streitigkeiten und Anfechtungssachen nach dem Anfechtungsgesetz i.S.d. RefE sollen solche sein, die im internationalen Insolvenzrecht von Art. 6 Abs. 1 EuInsVO5 erfasst werden. Dazu gehören insbesondere Streitigkeiten über Insolvenzanfechtungen nach den §§ 129 ff. InsO, Streitigkeiten über die Unwirksamkeit von Rechtshandlungen nach § 88 InsO, Feststellungsklagen nach den §§ 179, 184 InsO, Haftungsklagen gegen Insolvenzverwalter wegen Verletzung ihrer insolvenzrechtlichen Pflichten nach § 60 InsO, Haftungsklagen gegen Geschäftsleiter wegen Zahlungen bei materieller Insolvenz nach § 64 GmbHG und vergleichbaren Anspruchsgrundlagen wie die §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 2 Nr. 6 des AktG oder die §§ 130a, 177a HGB sowie Klagen, mit denen nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 15a InsO und vergleichbaren Anspruchsgrundlagen wie die §§ 130a, 177a HGB Haftungsansprüche wegen Insolvenzverschleppung geltend gemacht werden. Anfechtungssachen nach dem Anfechtungsgesetz sollen wegen der systematischen Bezüge zum Insolvenzanfechtungsrecht vom Sachgebiet ebenfalls umfasst werden.

Der VID begrüßt diesen Vorschlag und sieht lediglich punktuellen Ergänzungsbedarf.

a) zu § 72a GVG-E

§ 72a GVG dient dem Zweck, „eine effiziente und ressourcensparende Bearbeitung und Entscheidung von Verfahren dadurch zu fördern, dass innerhalb des Gerichts eine häufigere Befassung der entscheidenden Spruchkörper mit den genannten Materien eintritt.“

§ 72a Abs. 1 Nr. 8 GVG-E sieht dafür auf Landgerichtsebene die obligatorische Einrichtung von Spezialkammern für insolvenzbezogene Streitigkeiten vor. Nach der Gesetzesbegründung fallen unter § 72a Abs. 1 Nr. 8 GVG-E Streitigkeiten, die im internationalen Insolvenzrecht von Art. 6 Abs. 1 EuInsVO erfasst werden. Art. 6 Abs. 1 EuInsVO regelt, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet das Insolvenzverfahren nach Artikel 3 eröffnet worden ist, zuständig für alle Klagen sind, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen, wie beispielsweise Anfechtungsklagen.

Eine solche Spezialzuständigkeit sollte sich auch auf Beschwerden nach Art. 5 EuInsVO erstrecken. Eine Sonderzuständigkeit für Beschwerdesachen führt dazu, dass Streitigkeiten über die internationale Zuständigkeit effektiver und schneller entschieden werden können. Die häufigere Befassung der Spezialkammern mit Rechtsfragen rund um die internationale Zuständigkeit führt zu einer höheren Spezialisierung auf diesem Gebiet und damit zu einer Effizienzsteigerung.

b) zu § 119a GVG-E 119a Abs. 1 Nr. 8 GVG-E sieht entsprechend der Regelung des § 72a Abs. 1 Nr. 8 GVG-E auf der Ebene der Oberlandesgerichte die obligatorische Einrichtung von Spezialspruchkörpern für insolvenzspezifische Ansprüche vor. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

2. Beschwerderecht der Staatskasse - § 127 Abs. 3 S. 2 ZPO-E

Mit dem hier vorgeschlagenen Beschwerderecht verbindet sich durch den neuen Verweis auf § 116 Satz 3 ZPO eine weitere Erschwerung der Prozesskostenhilfe für Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes.

Der in der Begründung angeführte BGH-Beschluss vom 21. Januar 2016, Az. IX ZB 24/15, führt die Nichterstreckung des Beschwerderechts der Staatskasse auf Insolvenzverwalter auch auf ein sachliches Argument (Rz.12) zurück:

„Die Beschränkung des Beschwerderechts der Staatskasse auf Prozesskostenhilfeanträge natürlicher Personen erscheint im Übrigen auch sachgerecht. Denn der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse wird regelmäßig nicht in der Lage sein, zu beurteilen, wie groß die von einer Person kraft Amtes – etwa einem Insolvenzverwalter –verwaltete Vermögensmasse ist, in welchem Umfang sie zur Bestreitung der Prozesskosten einzusetzen ist und ob es wirtschaftlich Beteiligte gibt, denen es zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen.“

Zur Begründung einer Beschwerde hätte der Bezirksrevisor die vom BGH genannten Umstände zu ermitteln. Dazu müsste er regelmäßig Einsicht in die Verfahrensakten des Insolvenzgerichts nehmen um daraus die notwendigen Informationen abzuleiten. In Abwesenheit einer elektronischen Akteneinsicht, die nach § 298a Abs.1a ZPO erst ab dem 1.1.2026 zur Verfügung stehen wird, muss die Akte versandt oder kopiert werden. Eine unter Kosten- und Effizienzgesichtspunkten sinnvolle Beschränkung der Prüfung auf summenmäßig größere PKH-Anträge dürfte hier ausgeschlossen sein, weil hierdurch Ausweichstrategien begünstigt und eine einheitliche Rechtsanwendung

VID-Stellungnahme zum RefE eines Gesetzes zur Regelung der Wertgrenze für die gefährdet werden könnten. Schon zur Vermeidung einer umfangreichen Prüftätigkeit sollte deshalb auf das hier vorgeschlagene Beschwerderecht verzichtet werden.

Der geschilderte Prüfaufwand wäre im Übrigen nur dann gerechtfertigt, wenn sowohl die Zahl der positiv entschiedenen PKH-Anträge durch Insolvenzverwalter wie auch die Zahl der unbegründeten Anträge in diesem Bereich einen nennenswerte Größe erreichen würden. Beides ist nicht der Fall.

Die an dieser Stelle restriktive Rechtsprechung (vgl. ausführlich hierzu etwa Uhlenbruck/Mock, § 80 Rz.189 ff. m. w. N.) der Instanzgerichte hat bereits heute dazu geführt, dass spezialisierte Prozessfinanzierer mit ihren Angeboten die Lücke füllen und dabei von der Zurückhaltung der Gerichte profitieren. Diese Rechtsprechung sowie die Rechtsaufsicht der Insolvenzgerichte über die Insolvenzverwalter sorgt auch dafür, dass PKH-Anträge, wenn überhaupt, nur dort gestellt werden, wo eine antragsgemäße Gewährung aussichtsreich ist und der damit verbundene Aufwand des Insolvenzverwalters deshalb gerechtfertigt erscheint. Eine weitere Aufsichtsinstanz erscheint deshalb an dieser Stelle verzichtbar.

Die hier vorgeschlagene Erweiterung des Beschwerderechts durch Einbeziehung der PKH-Anträge von Insolvenzverwaltern als Partei kraft Amtes sollte deshalb ersatzlos entfallen.

3. Hinzuziehung von Sachverständigen - § 144 Abs. 1 S. 1 ZPO-E Die Begründung des RefE (S.16) führt zu diesem Punkt aus:

„Durch die Umformulierung des § 144 Absatz 1 Satz 1 ZPO-E soll deutlicher als bisher geregelt werden, dass sich das Gericht zur fachlichen Unterstützung der besonderen Sachkunde von Sachverständigen auch unabhängig von einer Beweisaufnahme in einem frühen Verfahrensstadium verfahrensbegleitend zu Beratungszwecken bedienen kann. Der Sachverständige ist in dieser Funktion nicht Beweismittel, sondern Berater des Gerichts (vergleiche Stamm, ZZP 124 (2011), 433, 437).“

Die Insolvenzordnung enthält bereits in § 5 Abs.1 InsO eine ähnliche Regelung: „Das Insolvenzgericht hat von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. Es kann zu diesem Zweck insbesondere Zeugen und Sachverständige vernehmen.“

Auch in § 22 Abs. 1Satz 2 Nr. 3 InsO wird der Sachverständige erwähnt. Mit der im RefE vorgeschlagenen Regelung soll der Anwendungsbereich von Sachverständigen erweitert werden. Dabei bleibt unklar, ob diese Erweiterung über § 4 InsO auf Insolvenzverfahren anwendbar sein wird und über den bereits in der Insolvenzordnung geregelten Anwendungsbereich der Amtsermittlung hinausgehen soll.

Eine Beweisaufnahme im kontradiktorischen Verfahren, deren Einschränkungen durch entsprechende Beweisanträge mit dem § 144 Abs. 1 S. 1 ZPO-E offenbar teilweise aufgehoben werden sollen, findet im Insolvenzverfahren nicht statt. Das Gericht darf sich insbesondere im Insolvenzeröffnungsverfahren nicht auf die Beibringung des Tatsachenstoffs durch die Beteiligten verlassen (vgl. etwa Uhlenbruck/Pape, § 5 Rz.7 m. w. N.). Gleichzeitig findet die Amtsermittlung und damit die Möglichkeit einer Unterstützung des Gerichts durch Sachverständige hier eine Grenze durch den Verfahrenszweck der Haftungsverwirklichung.

Pape (a.a.O.Rz.22) formuliert dazu:

„Alles was nicht der Haftungsverwirklichung zugunsten der Gläubiger dient, unterfällt nicht den Amtsermittlungen. Weiterhin hat die Amtsermittlungspflicht dort ihre Grenzen, wo schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen oder wenn der Antragsteller verpflichtet ist, selbst vorzutragen und glaubhaft zu machen, wie z.B. im Rahmen der Restschuldbefreiung. Das Insolvenzgericht ist nicht berechtigt, die Ermittlungen auf die Verfahrensabwicklung durch den Insolvenzverwalter zu erstrecken.“

Ein verschiedentlich begrüßte Unterstützungsmöglichkeit der Insolvenzgerichte auch außerhalb des durch § 5 Abs.1 InsO gezogenen Rahmens sollte in Ansehung der pauschalen Verweisungsnorm in § 4 InsO und der oben angeführten Erwägungen auf klar definierte Anwendungsfälle begrenzt werden. Art. 14 Abs.2 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) - ABl L 172 vom 26.6.2019, S.18 ff. kann hier als Beispiel für einen solchen Anwendungsfall genannt werden.

B. Fazit

1. Die Spezialzuständigkeit sollte sich auch auf Beschwerden nach Art. 5 EuInsVO erstrecken.

2. Die vorgeschlagene Erweiterung des Beschwerderechts der Staatskasse sollte ersatzlos entfallen.

3. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 5 InsO sollte auf klar definierte Anwendungsfälle begrenzt werden.

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