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21.12.2017 | Stuttgarter Restrukturierungsforum | Mitteilung der Pressestelle
Von Glücksrittern, Stupid Money und Lemming-Verhalten der Fremdkapitalgeber

Stuttgart, 20. Dezember 2017. Beim fünften Stuttgarter Restrukturierungsforum drehte sich alles rund um das Thema „Alternative Finanzierung in der Restrukturierung“. Während bei klassischen Kreditinstituten das Regelwerk weiter zunimmt, steht den Finanzinvestoren mehr Geld zur Verfügung, als sie verwenden können. Grund genug beim Stuttgarter Restrukturierungsforum über Debt Funds, PEs, Sale and Lease Back und Factoring zu sprechen. Rund 90 Gäste verfolgten die lebhafte Diskussion am 29. November 2017.

Nach den einleitenden Worten von Martin Schoebe (hww hermann wienberg wilhelm) führte Carl-Jan von der Goltz (Geschäftsführender Gesellschafter bei Maturus Finance GmbH) in das Thema ein und zeigte zunächst die aktuellen Rahmenbedingungen für die Bankenfinanzierung, die sich seit der Finanzmarktkrise extrem verändert haben: Lähmungen durch die zunehmende Regulierung, der Margendruck durch anhaltende Niedrigzinspolitik und Vertrauensverluste bei den Kunden sind nur einige der Herausforderungen, denen sich die Banken stellen müssen. Beim Ausblick auf die zukünftigen Entwicklungen zeigte sich von der Goltz überzeugt davon, dass Basel 4 und andere Regulierungsideen wenig Gutes für den Ausbau der Spielräume von Banken für die Finanzierung in der Restrukturierung erahnen lassen würden. Darüber hinaus vermutete er, dass die Kooperation zwischen alternativen und klassischen Anbietern zunehmen und FinTechs sich vom reinen Vermittler hin zum Anbieter von Finanzierungen wandeln würden. „Die wachsende Transparenz beim Entscheidungsprozess führt bei der Auswahl des Kreditgebers zu rein sachlichen Entscheidungen gegenüber solchen aus Tradition oder subjektiven Gründen“, war eine der weiteren Zukunftsthesen von von der Goltz.

In der anschließenden Diskussion – moderiert durch Dr. Dietmar Haffa (Schultze & Braun) und Dr. Alexandra Schluck-Amend (CMS Hasche Sigle) – brach Dr. Stefan Schmittmann (Of Counsel, Schultze & Braun) als erfahrener Banker zunächst eine Lanze für Banken bei der Finanzierung in Restrukturierungssituationen: „Der Verkauf eines Restrukturierungsengagements durch eine Bank ist der Verkauf eines Kunden. Nur Banken, die ihre Kunden auch bei Schwierigkeiten begleiten, werden im Mittelstandsgeschäft profitabel wachsen und langfristig überleben“. Für ihn sei eine Restrukturierungsabteilung eine zentrale Säule der Banken. Von daher war er überzeugt davon, dass Banken auch zukünftig Restrukturierungsgeschäft betreiben werden und die Regulatorik würde dem in keiner Weise entgegenstehen. Das sah von der Goltz aber ganz anders: „Im Alltag habe ich genug Fälle gesehen, in denen die Berater völlig frustriert über das Verhalten der Restrukturierungsabteilung der Banken sind. Denn es wird extrem viel wichtige Zeit verspielt“.

Jörn Trierweiler (Managing Partner bei VTR Service GmbH) berichtete von seinen Erfahrungen, dass „Unternehmen im Moment zwischen einer Vielzahl an Finanzierungsmöglichkeiten wählen können“. Jedoch kämen dabei zunehmend Finanzierungsmöglichkeiten zustande, die nicht mehr wirklich etwas mit dem Geschäftsmodell zu tun hätten. „Die langfristigen Geschäftsmodelle im Mittelstand geben die Renditeerwartung einiger alternativer Finanzierer nicht her“, weiß der erfahrene Unternehmensrestrukturierer zu berichten. Generell mache die alternative Finanzierung vor allem dann Sinn, wenn Unternehmen in bestimmten Situationen schnell und flexibel Geld benötigen würden. Bei der langfristigen Finanzierung sah er die Banken im Vordergrund.

Einen Einblick in die Struktur der alternativen Finanzierer, allen voran Private Equity Investoren, gab Stefan Lehotkay (Partner bei der Clearsight Investment AG): „Es gibt allein in Deutschland über 300 Private Equity Investoren, die sich auf Restrukturierungen spezialisiert haben, aber der Großteil davon ist unseriös“. Einige dieser Investoren würden nur „schnell viel Geld verdienen wollen“. Lehotkay bezeichnete sie als „Glücksritter“. Um diese schwarzen Schafe zu erkennen, gab er den anwesenden Gästen den Tipp, den Hintergrund der handelnden Personen zu untersuchen, Referenzen einzuholen, zu klären, woher das Geld stammt und vor allem sich Finanzierungsbestätigungen geben zu lassen.

Gefragt nach der weiteren Entwicklung in der Restrukturierungsfinanzierung betonte Trierweiler, dass „extrem viel Stupid Money“ im Markt unterwegs sei. Jedoch sei die kulturelle Lücke zwischen den angelsächsisch geprägten Investoren und vielen deutschen Mittelstandsunternehmen so groß, dass er davon ausgehe, dass die Banken weiterhin die Finanzierungsoption in der Krise darstellen werden. Auch Lehotkay war davon überzeugt, dass weiterhin viel Geld in den Markt fließen werde, da es so viele alternative Finanzierungen geben würde. Für von der Goltz ist die weitere Entwicklung stark abhängig von der zukünftigen Regulatorik. Würde diese weiter zunehmen, würde dies den alternativen Finanzierungsmöglichkeiten in die Hände spielen, so lange es sie nicht selber betreffen würde.

Schmittmann hob hervor, dass alle Finanzierungsbausteine ihren Sinn hätten. Jedoch hätten alle Fremdkapitalgeber ein gewisses „Lemming-Verhalten“. Sobald die Situation und der erste Finanzierer kippen, wollen sich alle Fremdkapitalgeber aus dem Engagement herausziehen. Das sei angesichts des Chancen-Risikoverhältnisses bei Fremdkapital eine ökonomisch gerechtfertigte Verhaltensweise.

Die Veranstalter des Stuttgarter Restrukturierungsforums sind CMS Hasche Sigle, Ebner Stolz, hww hermann wienberg wilhelm und Schultze & Braun. Das Stuttgarter Restrukturierungsforum ist eine Plattform für Experten der Branche und bringt zwei Mal pro Jahr alle an der Sanierung eines Unternehmens Beteiligten zusammen. Hochrangige Gäste stellen aus verschiedenen Blickwinkeln ein aktuelles Thema vor und teilen ihr Expertenwissen mit den Gästen in der Diskussion. Die nächste Veranstaltung findet im Frühjahr 2018 statt. Mehr unter: www.stuttgarter-restrukturierungsforum.de.

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