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04.12.2017 | TMA Deutschland | Mitteilung der Pressestelle
Mobilität und Digitalisierung - Überhitzung oder Rezession?

Die Restrukturierungsexperten der TMA Deutschland diskutieren bei der 11. Jahrestagung in welche Richtung die deutsche Wirtschaft 2018 steuert und was die Branche bewegt.

Frankfurt, den 1. Dezember 2017. Wer führt Deutschland in politisch turbulenten Zeiten und vor allem wohin? Der Verband der Restrukturierungsexperten, die TMA Deutschland e.V., sieht nicht nur in der wirtschaftspolitischen Unsicherheit eine Gefahr trotz starker Konjunktur. Ob Automobilbranche, Retail oder Digitalisierung der Finanzbranche, die TMA antizipiert strukturelle Veränderungen im Marktgeschehen. Fachliche Expertise und praktische Erfahrung aus unterschiedlichen Perspektiven vereinen die Restrukturierungsexperten des Verbands. Dies fließt seit 2006 in die TMA Forderungen zur Gestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Restrukturierungen ein. Nicht zuletzt auf Anregung der TMA wurde der rechtliche Rahmen bereits nachjustiert. Die Forderung nach einem vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren bleibt aktuell. Zu dem erwarten die Restrukturierer der TMA, dass es bald auch in Deutschland - wie schon in Großbritannien, Frankreich und zuletzt auch den Niederlanden - mehr und effizientere Instrumente geben wird, um sanierungsfähige Unternehmen in der Krise vor der Insolvenz zu bewahren.

Auf der diesjährigen TMA-Jahrestagung in Frankfurt diskutieren die Sanierungsexperten über Trends in der deutschen Industrie, den Wandel in besonders exponierten Branchen, die Krise der Automobilindustrie, Risikomanagement, aber auch die Herausforderungen für die eigene Branche aufgrund der Digitalisierung. Jede Trendwende im ökonomischen Zyklus und jeder technologische Paradigmenwechsel in einer Branche bringt erhebliche Herausforderungen mit sich. In Frankfurt ist man sich einig, dass die Mobilität der Zukunft die Automobilindustrie grundlegend verändern wird. Nicht nur die Hersteller selbst, sondern auch deren Zulieferer stehen vor großen Herausforderungen. Nicht alle Beteiligte werden diese gleich gut meistern können, einige womöglich gar nicht. „In diesem Sektor erwartet die TMA Deutschland bereits 2018 erste Restrukturierungen,“ erklärt TMA Vorstandsmitglied Dr. Georg Bernsau, BBL Bernsau, Brockdorff & Partner nach dem Impulsvortrag von Frau Dr. Frauke Eßer, Leiterin Reaktives Risikomanagement der Volkswagen AG.

Die Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft in Zeiten von E-Mobilität, der absehbaren Substitution des Verbrennungsmotors, der Digitalisierung - auch in der Restrukturierungsbranche -, erneuerbaren Energien, Handel, Retail und der Druck auf kommunalen Einrichtungen sind hoch. „Wir müssen in Deutschland - aber auch europaweit - Bedingungen schaffen, um in die Krise geratene sanierungswürdige und sanierungsfähige Unternehmen wieder wettbewerbsfähig und am Markt refinanzierungsfähig aufstellen zu können. Wir müssen Unternehmungen und deren Mitarbeitern mit Unterstützung der Gläubigermehrheit auch in Deutschland außerhalb eines Insolvenzverfahrens eine zweite Chance geben können, wenn dies ökonomisch sinnvoll und erfolgsversprechend ist“, appelliert Kolja von Bismarck, Partner bei der US-Kanzlei Sidley Austin und Vorstandsvorsitzender der TMA Deutschland.

Ein großer Schritt in die richtige Richtung ist aus Sicht der TMA das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen im Bundesgesetzblatt. Dieses wurde ergänzt und tritt ab 21.04.2018 in geänderter Fassung in Kraft. „Dies ist ein wichtiger Schritt“, meint Dr. Leo Plank, Kirkland Ellis LLP: „Der neue Gruppengerichtstand (§3a InsO) wird in der Praxis vielfältige Möglichkeiten eröffnen, eine Gruppeninsolvenz zu bewältigen und als Unternehmensgruppe das für das spezifische Verfahren am besten aufgestellte Insolvenzgericht einzubinden. Diese Entwicklung ist zu begrüßen und wird hoffentlich zu einer zunehmenden Spezialisierung auch unserer Insolvenzgerichte führen - damit würde eine langjährige Forderung der TMA in die Praxis umgesetzt.“ Insgesamt sollte die Änderung des Gesetzes zu einer Konzentration großer Verfahren und damit auch zu einer höheren Effizienz dieser Verfahren führen.

Ergebnis der Umfrage unter den Teilnehmern der TMA Konferenz ist auch, wie essentiell eine Neubewertung des ESUG für die Branche ist. Bis Herbst wurde im Auftrag der Bundesregierung eine Befragung zur Evaluierung des ESUG durchgeführt, dem Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen. Im Januar 2018 sollen die Ergebnisse präsentiert werden. Schon jetzt ist in der Branche klar, dass vor allem die Umsetzung der EU- Richtlinie zum vorgerichtlichen Restrukturierungsverfahren sinnvoll und geboten ist. Die TMA postuliert ein gläubigerautonomes Sanierungsverfahren für Unternehmen in der Krise, solange diese noch nicht das Stadium der Zahlungsunfähigkeit erreicht haben. Ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren kann nach Ansicht der TMA ein Werkzeug sein, um die volle Wettbewerbsfähigkeit einer betroffenen Unternehmung im operativen Geschäft wiederherzustellen. Dabei kann die mit einem Insolvenzantrag regelmäßig einhergehende Stigmatisierung des Unternehmens vermieden werden. In Großbritannien steht für entsprechende Restrukturierungen weiterhin das im Markt bewährte "Scheme of Arrangement" zur Verfügung, so der Verband.

Die Restrukturierungsexperten der TMA Deutschland vereinen das Wissen aller an Restrukturierungen beteiligten Branchen. Auch ein weiteres Thema kam zur Sprache: Eine Sozietät hatte Unternehmen angeschrieben und diese ermutigt, sich auch außerhalb einer existenzbedrohenden Krise mit Hilfe eines Insolvenzverfahrens und damit zu Lasten der Gemeinschaft und eines fairen unternehmerischen Wettbewerbs durch ein Insolvenzplanverfahren zu entschulden. Der Verband stellte klar, dass nicht alles, was rechtlich möglich ist, auch ethisch akzeptabel ist. Aus Sicht des Verbandes gefährden Grenzgänger, die gesunden Unternehmen Werkzeuge des deutschen Insolvenzrechts empfehlen, um Mandate zu gewinnen, die Akzeptanz des Insolvenzrechtes als Sanierungsinstrument für Unternehmen in der Not. Das schade der Volkswirtschaft, gefährde das Ansehen aller Handelnden in einer hoch spezialisierten Branche und erhöhe so am Ende auch die volkswirtschaftlichen Kosten jeder Restrukturierung in der wirtschaftlichen Krise. Der TMA Verband appelliert vor diesem Hintergrund an die Verantwortung seiner Mitglieder. „Die TMA als Verband distanziert sich von diesen Praktiken. Der Werkzeugkasten des Insolvenzrechts ist ein Notfallbesteck, das nur in entsprechenden Situationen eingesetzt werden darf, nicht aber jenen dienen soll, die sich ohne gesetzlichen Flankenschutz im freien Wettbewerb ertrags- und finanzwirtschaftlich neu aufstellen könnten“, erklärt Kolja von Bismarck.

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