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17.06.2016 | White & Case | Mitteilung der Pressestelle
Unternehmensentscheider und Inhouse Juristen kaum auf rechtliche Auswirkungen von Brexit vorbereitet

• Umfrage: Insbesondere Finanzbranche wäre in rechtlicher Hinsicht von Brexit betroffen. Nur rund ein Drittel der Unternehmen aus dieser Branche verfügt aber bisher über Brexit-Notfallpläne. Erwartet wird, dass Standort Frankfurt profitiert.

• Auch wenn das Referendum am 23. Juni rechtlich nicht bindend für britische Regierung ist, sind rechtliche Auswirkungen bereits am darauffolgenden Tag zu erwarten. Im Falle Ergebnis pro Brexit sind sofortige Prüfungsmaßnahmen erforderlich. Die Entscheidung über Brexit könnte letztlich beim britischen Parlament liegen.

• Hoffnung auf geringeres Regulierungsniveau in Großbritannien nach Brexit hingegen bloßes Wunschdenken.

Frankfurt, 16. Juni 2016 – Eine Woche vor dem Referendum ist für viele Unternehmensentscheider und Inhouse Juristen noch unklar, welche rechtlichen Auswirkungen ein Ausscheiden Großbritanniens („Brexit“) aus der Europäischen Union („EU“) auf bestehende Verträge bei Geschäftsbeziehungen, Unternehmenstransaktionen oder Mitarbeiterverhältnissen hätte, sollte das Referendum am 23. Juni eine Mehrheit für den Ausstieg aus der EU ergeben.

Die internationale Anwaltskanzlei White & Case LLP befragte im Rahmen einer Fachkonferenz in Frankfurt unter Leitung von Oliver Brettle, Mitglied des globalen Executive Committee von White & Case, Unternehmensentscheider und Inhouse Juristen zu ihrer Meinung zu einem möglichen Brexit und dem Stand der internen Vorbereitungen (1). Nur rund 31 Prozent bejahten die Frage, ob ihr Unternehmen über akute Notfallpläne im Falle eines Brexit verfüge. Hingegen hätten 29 Prozent der Befragten keine derartigen Notfallpläne, 38 Prozent konnten keine eindeutige Angabe machen.

Aus juristischer Sicht ist das Referendum am 23. Juni nicht bindend für die britische Regierung, wenngleich der EU-Austritt letztlich nur durch den Premierminister und seine Administration umgesetzt werden kann. Sir Nicholas Forwood, vormals Richter am Europäischen Gerichtshof und jetzt Counsel bei White & Case, gab auf der Konferenz zu bedenken, dass im Falle eines Brexit das Verhältnis zu allen europäischen Staaten neu verhandelt werden müsse. Das aber läge in der Hoheit des britischen Parlaments.

Dennoch hätte ein Votum gegen den Verbleib in der EU unmittelbar nach der Abstimmung rechtliche Auswirkungen. Dr. Henning Berger, Partner bei White & Case, kommentiert: „Sollte es am 23. Juni zu einem Ergebnis pro Brexit kommen, sind bereits am Tag danach alle in Verhandlung befindlichen Verträge anzupassen. Beispielsweise müssten spezielle Brexit-Klauseln eingezogen werden. Es muss also im Detail geregelt werden, wie sich die Vertragsinhalte ändern, falls Großbritannien die EU verlässt oder bleibt.“ Zusätzlich müsse laut Dr. Berger bedacht werden, Klauseln bei Kredit- oder Transaktionsverträgen anzupassen. Auch könnten sich ab dem 24. Juni Prüfungsprozesse der nationalen Behörden wie der Finanzaufsicht deutlich verzögern und dadurch der Geschäftsbetrieb der Firmen beeinträchtigt werden. Dies sahen die anwesenden Unternehmensvertreter genauso. So stimmten 95 Prozent stark der Aussage zu, dass ein Brexit schädlich für Großbritannien sei.

Laut Dr. Berger sei für die Unternehmen klar zu trennen, was am 24. Juni umgesetzt werden müsse und was sich an dem Tag ändern würde, an dem Großbritannien de facto die EU verlässt. Hier seien die Auswirkungen ungleich größer. „Mit dem Wirksamwerden des Brexit wird der europäische Pass für Finanzdienstleistungen voraussichtlich seine Gültigkeit verlieren. Britische Banken und andere Finanzdienstleister müssten dann Tochterunternehmen in der EU gründen und deutsche Banken in UK“, so Dr. Berger. „Beispielsweise sind genehmigte Finanzprospekte bisher in der ganzen EU gültig – ein wichtiger Punkt für Unternehmen, die ihren Sitz in Kontinentaleuropa haben und in London geschäftlich tätig sind oder andersherum. Im Falle eines Brexit würde dies deutlich erschwert – auch dadurch, dass sich die weit verbreiteten Hoffnungen auf ein geringeres Regulierungsniveau in Großbritannien als bloßer Wunsch erweisen dürften“, so Dr. Berger weiter.

Laut den anwesenden Unternehmensvertretern wäre der Standort Frankfurt ein klarer Profiteur eines Brexit: 80 Prozent gaben sich überzeugt, dass die Mainmetropole profitieren würde. Nur 7 Prozent sehen hingegen Paris als Nutznießer eines britischen Ausscheidens aus der EU. Sir Nicholas Forwood ergänzte, dass neben Paris der Standort Dublin für EU-Firmen allgemein sowie Rom für die europäischen Aufsichtsbehörden nicht unterschätzt werden dürfen.

Gespalten waren die anwesenden Entscheider bei der Frage nach möglichen Dominoeffekten oder gar Auflösungserscheinungen der EU aufgrund eines Brexit. Genau 50 Prozent stimmten hier stark oder sehr stark zu. Hingegen bewerteten 21 Prozent diesen Punkt neutral, 29 Prozent sahen keine Dominoeffekte.

(1) Methodik der Umfrage

Im Rahmen einer Fachveranstaltung von White & Case LLP in Frankfurt wurden über 60 Unternehmensentscheider und Inhouse Juristen aus Banken, Versicherungen, Asset Management, Private Equity und anderen Bereichen der Finanzindustrie befragt. Mittels webbasierter Live-Befragung auf dem persönlichen Smartphone wurden vier Fragen zu den möglichen Auswirkungen eines Brexit beantwortet. Die Beantwortung erfolgte anonymisiert und ohne mögliche Rückschlüsse auf den Antwortgeber.

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