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04.06.2018 | Berliner Restrukturierungsforum | Mitteilung der Pressestelle
Start-ups in der Krise

Berlin, 12. Juni 2018. Berlin ist die Start-up Hauptstadt Deutschlands. Was läge daher näher, als sich beim 13. Berliner Restrukturierungsforum mit „Start-ups in der Krise“ zu beschäftigen? Drei Experten berichteten aus ihren umfangreichen Erfahrungen mit der Insolvenz von Start-ups. Die Erkenntnis des Abends: Trotz der hohen Gefahr des Scheiterns braucht Deutschland Gründer, um Innovationen voranzutreiben.

Nach den einleitenden Worten von Christian Otto (Rechtsanwalt, Partner, hww hermann wienberg wilhelm) gab Dr. Thomas Prüver (Partner, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) einen ersten Überblick über Zahlen, Daten und Fakten zu Start-ups. Dr. Prüver berichtete, dass der Start-up-Markt ein stark wachsender Markt mit über vier Milliarden Euro Finanzierungsvolumen sei. Davon würden vor allem online getriebene Geschäftsmodelle im B2C-Bereich das größte Volumina einnehmen. Als deutscher Start-up Hotspot ziehe Berlin das meiste Finanzierungsvolumen an. Die Finanzierung von Start-ups geschehe typischerweise stückweise, so Dr. Prüver. In seinem Vortrag verdeutlichte er außerdem, dass vor allem die Skalierung, die Investorenerwartungen und das Timing große Herausforderungen für Gründer seien. Doch eine noch größere Hürde stelle das Team dar, denn oft würden kompetente Teammitglieder fehlen.

Nach dem Impulsreferat waren die Teilnehmer der Podiumsdiskussion, die von Dr. Bernt Paudtke (Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB) und Dr. Thomas Prüver moderiert wurde, am Zuge. Oliver Beste (Gründer und Business Angel, Beste Beteiligungen GmbH) und Prof. Dr. Torsten Martini (Insolvenzverwalter und Partner, LEONHARDT RATTUNDE), die sich während der Insolvenz eines von Beste gegründetem Start-ups kennenlernten, erzählten von ihren Erfahrungen aus dieser Zeit. Insolvenzverwalter Prof. Dr. Martini berichtete, dass vor allem der Anfang seiner Arbeit in Start-ups noch arbeitsintensiver und vor allem anders als bei Traditionsunternehmen sei. Gerade in Fällen, in denen die Gewinnzone noch nicht erreicht sei, müsse man sehr schnell zu einer Einschätzung kommen, ob es möglich ist, den Betrieb kurzfristig und auf Dauer aufrechtzuerhalten. Die Arbeit wird geprägt durch Daten, Ideen und gewerbliche Schutzrechte und hat mit der klassischen old economy daher wenig gemein.

Dr. Walter Grassl (Managing Partner, Munich Venture Partners) erläuterte, dass nur etwa 15 Prozent der Start-ups erfolgreich werden. Insofern müssten Investoren damit rechnen, dass Start-ups auch einmal in die Krise geraten. Wenn Finanzierungen scheitern, dann liege das nicht nur an den Investoren, sondern oft auch am Verhalten der Gründer, so Dr. Grassl. An dieser Stelle betonte Beste, dass Start-ups nicht nur Traumwelten seien, sondern unverzichtbar für das Vorantreiben von Innovationen seien. Gründer müssten sich nur besser im Vorfeld über die wirtschaftlichen und gesetzlichen Anforderungen informieren. Er gab die Empfehlung, dass sich Gründer nicht von Investoren unter Druck setzen lassen sollen. Zudem plädierte Beste für eine Art Patenschaft, in der ein erfahrener Berater oder Anwalt als Pate den Gründer berät und ihn so vor dem Scheitern bewahrt.

In der Diskussion brach Beste eine Lanze für Gründer: „Wir brauchen Gründer, die den Mut haben, Risiken einzugehen. Wer ein Risiko eingeht und scheitert, sollte als mutig und nicht als Versager gelten. Das ist immer noch ein Problem in der deutschen Gesellschaft“. Auch für Dr. Grassl gehört das Scheitern zum Gründen dazu. Nicht jedes Start-up könne die gleiche Erfolgsgeschichte wie Google oder Facebook schreiben. „Die deutsche Wirtschaft braucht Gründer“, forderte der erfahrene Investor. Des Weiteren berichtete er, dass sich gerade deutsche Investoren im Vergleich zu angelsächsischen Investoren in Krisensituationen sehr zurückhaltend verhalten würden. Auch Banken würden Start-ups erst finanzieren, wenn ihr Fortbestand gesichert sei. Dr. Grassl erklärte, dass bei Start-ups erschwerend hinzukäme, dass sie extrem schwer zu beurteilen seien und ihr Erfolg schlecht abschätzbar sei.

Die Frage, ob der Gesetzgeber den Gründer im Stich lasse, bejahte Prof. Dr. Martini. Vor allem der Überschuldungsbegriff sei für Start-ups nicht passend. „Eine Durchfinanzierung von Start-ups bis in die Gewinnzone ist aber entgegen einer weitverbreiteten Ansicht nicht immer notwendig, um eine positive Fortführungsprognose zu erhalten“, erklärte der Insolvenzverwalter. Daher müsse der Überschuldungsbegriff nicht unbedingt geändert werden, sondern es reiche aus, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sauber und durchdacht anzuwenden. Die Frage, ob die Standard-Werkzeuge von Insolvenzverfahren klassischer Unternehmen auch auf die von Start-ups zutreffen würden, verneinten Dr. Grassl und Prof. Dr. Martini. Am Beispiel von Amazon verdeutlichte Dr. Grassl, wie schwer Start-ups zu bewerten sind: „Amazon ist heute eines der größten Unternehmen der Welt. In den achtziger Jahren glaubte noch niemand daran, dass mit einem internetbasierten Geschäftsmodell Geld verdient werden könne“. Auch Prof. Dr. Martini teilte die Ansicht, dass bei Start-ups eine andere Bewertungsgrundlage als bei klassischen Unternehmen angewendet werden müsse. Allerdings ist für ihn noch unklar, welche es sein könnte.

Die Podiumsteilnehmer waren sich einig, dass sich die Start-up-Szene gut entwickelt und es immer mehr Start-ups geben werde. Allerdings müsse auch davon ausgegangen werden, dass es bei Start-ups in der Natur der Sache liege, dass das Risiko für eine Insolvenz hoch sei.

Das Berliner Restrukturierungsforum begrüßte bei seiner 13. Veranstaltung rund 115 Experten der Sanierungsbranche. Das Berliner Restrukturierungsforum ist eine Plattform für Experten der Branche und wird von Ernst & Young GmbH, GÖRG Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, hww hermann wienberg wilhelm und Restrukturierungspartner veranstaltet. Es bringt zwei Mal pro Jahr alle an der Sanierung eines Unternehmens Beteiligten zusammen. Hochrangige Gäste stellen aus verschiedenen Blickwinkeln ein aktuelles Thema vor und teilen ihr Expertenwissen mit den Gästen in der Diskussion. Mehr unter:

www.berliner-restrukturierungsforum.de. Die nächste Veranstaltung findet im Herbst 2018 statt.

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