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04.12.2019 | Münchener Restrukturierungsforum | Mitteilung der Pressestelle

München, 2. Dezember 2019. Das Münchener Restrukturierungsforum beschäftigte sich am 21. Oktober 2019 mit dem Thema „Im Osten viel Neues –Sanierung deutscher Unternehmen mit Assets in Polen, Tschechien und Ungarn“. Die Panelisten gaben Einblicke in ihre Erfahrungen mit Insolvenzen in den osteuropäischen Ländern und waren sich einig, dass vor allem Transparenz und Kommunikation mit allen Beteiligten das Non-Plus-Ultra in der Krise ist. Rund 75 Gäste verfolgten die spannende Diskussion.

Nach einem Impulsvortrag von Nikolaos Antoniadis (Rechtsanwalt, Steuerberater, Insolvenzverwalter, Antoniadis & Ure Rechtsanwaltsgesellschaft mbH) startete die Podiumsdiskussion, die von Andreas Dimmling (GSK Stockmann) und Burkhard Jung (Restrukturierungspartner) moderiert wurde. Angesprochen auf die Frage, wie Restrukturierung im Ausland funktioniere, erläuterte Barbara Kusak (Managing Partner, Noerr Prag), dass man in Tschechien in Bezug auf Restrukturierung noch nicht so viele Praxiserfahrungen wie in Deutschland sammeln konnte, auch weil die tschechische Wirtschaft bisher relativ stabil gewesen sei. Kusak erläuterte des Weiteren, dass ein Großteil der Insolvenzverfahren in einer Liquidation enden würden. Paweł Halwa (Managing Partner, Schönherr Warsaw) konnte dies auch aus polnischer Perspektive bestätigen, wenn gleich sich die Sanierungskultur schnell entwickeln würde und man bereits von einer Restrukturierungsgesellschaft sprechen könne. Halwa war der Meinung, dass nicht das Insolvenzrecht das Non-Plus-Ultra sei, sondern vor allem die Kommunikation mit den betroffenen Menschen besonders entscheidend sei.

Peter Hrbik (Leiter Competence Center Investorenberatung & Recht, Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer) gab einen kurzen Einblick in die Statistik: Zwischen den Jahren 2017 und 2018 sind die Insolvenzfälle in Tschechien um 42 Prozent zurückgegangen. Aktuell herrsche auf dem tschechischen Arbeitsmarkt nahezu Vollbeschäftigung und Insolvenzfälle spielten in der Presse keine große Rolle. Halwa stimmte ihm zu und berichtete, dass es in Polen zu weniger Insolvenzfällen als erwartet kommen würde.

Zum Thema Pre-Pack – eine in Tschechien noch relativ neue, am angelsächsischen Recht angelehnte Möglichkeit der Sanierung, bei der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Sanierungsplan erstellt wird – führte Kusak aus, dass dazu in Tschechien insbesondere die Mehrheit der gesicherten und der ungesicherten Gläubiger benötigt werde. Der große Vorteil sei, dass der Schuldner in diesem Fall den Insolvenzverwalter selbst bestimmen könne und daher Herr des Verfahrens bleibe, während in allen anderen Fällen der Insolvenzverwalter vom Gericht aus einem geschlossenen Kreis bestellt werde und der Schuldner die Kontrolle über das Verfahren verliere. „Allerdings kam der Pre-Pack bisher in Tschechien selten zum Einsatz, da es wenige Insolvenzfälle gab, die den deutlich größeren Aufwand eines solchen Verfahrens rechtfertigen und bei denen sich insbesondere die Banken auf ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten“, so Kusak. Halwa machte dagegen deutlich, dass es beim polnischen Pre-Pack vor allem um den schnellen Verkauf von Assets und nicht um eine Sanierung als solches ginge.

Damit die Restrukturierung in Tschechien gelinge, empfahl Hrbik eine klare und deutliche Kommunikation zwischen dem deutschen und tschechischen Insolvenzverwalter. Hrbik betonte außerdem, dass die Kommunikation mit den Gläubigern durch den Insolvenzverwalter erfolgen sollte. Kusak und Hrbik führten aus, dass in Tschechien zwei Arten von Verwaltern unterschieden werden:

Der klassische Verwalter und ein Sonderverwalter, der u. a. nur bei einer bestimmten Unternehmensgröße eingesetzt werde.

Angesprochen auf die Frage, welche Rolle Arbeitnehmer und Gewerkschaften in den jeweiligen Ländern einnehmen, gab Hrbik aus tschechischer Perspektive an, dass die Rolle der Gewerkschaften nicht stark ausgeprägt sei. Dagegen würden die Arbeitnehmer eine große Rolle spielen. „Sobald die Arbeitnehmer nur eine drohende Insolvenz erahnen, wechseln viele von ihnen den Arbeitgeber“, erläuterte Hrbik. Daher sei es gerade in der vorinsolvenzlichen Phase besonders wichtig, offen und transparent mit den Arbeitnehmern zu kommunizieren, um so Ängste zu nehmen. Halwa empfahl, dass man auch mit Lieferanten und öffentlichen Gläubigern in der Krise offen und transparent kommunizieren müsse.

Im Laufe des Abends entbrannte eine angeregte Diskussion. Alle Panellisten waren davon überzeugt, dass die Kommunikation und Transparenz zwischen allen Beteiligten essentiell für eine erfolgreiche Restrukturierung seien.

Das Münchener Restrukturierungsforum ist eine Plattform für Experten der Branche und wird von anchor Rechtsanwälte, Deloitte, GSK Stockmann und Restrukturierungspartner veranstaltet. Es bringt zweimal pro Jahr alle an der Sanierung eines Unternehmens Beteiligten zusammen. Hochrangige Gäste stellen aus verschiedenen Blickwinkeln ein aktuelles Thema vor und teilen ihr Expertenwissen mit den Gästen in der Diskussion. Im Frühjahr 2020 findet das nächste Münchener Restrukturierungsforums statt. Weitere Informationen finden Sie unter: www.muenchener-restrukturierungsforum.de.

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