Pressemitteilungen

19.12.2018 | Berliner Restrukturierungsforum | Mitteilung der Pressestelle
Wer haftet in der Eigenverwaltung?

Berlin, 18. Dezember 2018. Beim Berliner Restrukturierungsforum ging es am 27. November 2018 um die Frage: Wer haftet in der Eigenverwaltung? Vier Experten berichteten aus ihren umfangreichen Erfahrungen mit der Haftung in der Eigenverwaltung. Rund 85 Gäste verfolgten die Diskussion, in der ein spannender Einblick in die Gesetzgebung, Rechtsprechung sowie in Praxisfälle gegeben wurde.

Nach der Begrüßung durch Detlev Bremer (Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) führte Dr. Gerrit Hölzle (Rechtsanwalt und Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB) in das Thema des Abends ein. Dr. Hölzle begann zunächst mit einem rechtsökonomischen Erklärungsansatz, wonach Haftung ökonomisch nicht in erster Linie der Schadenskompensation diene, sondern der Verhaltenssteuerung im Sinne einer Haftungsvermeidung. Dieser Ansatz kam dann auch in dem von Dr. Hölzle dargestellten Urteil des BGH vom 26. April 2018 zur analogen Anwendung des § 61 InsO auf das eigenverwaltende Organ zum Ausdruck. Der Rechtsanwalt pflichtete der Entscheidung des BGH bei, stellte dann aber zusätzlich zur Konkretisierung die vielen praxisrelevanten Fragen dar, welche durch das Urteil noch nicht entschieden worden seien. So beispielsweise die Fragen nach der analogen Anwendbarkeit auch im Eröffnungsverfahren oder der Allokation der Haftung innerhalb eines mehrköpfigen Organs. Für die Beantwortung dieser Fragen bot Dr. Hölzle Lösungen an, die zugleich die Grundlage für die nachfolgende Diskussion auf dem Podium sowie im Auditorium legte.

In der Podiumsdiskussion – moderiert von Burkhard Jung (Restrukturierungspartner) – berichtete Martin Horstkotte (Richter am Amtsgericht, Amtsgericht Berlin-Charlottenburg (Insolvenzgericht)), dass er die vom BGH angenommene analoge Anwendung der §§ 60,61 InsO auf die vom BGH so genannte „Geschäftsleitung“ einer Schuldnerin, die sich in einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung befindet und damit deren unmittelbare Haftung im Außenverhältnis zu Geschädigten, begrüße. „Nur dadurch wird der Rolle der eigenverwaltenden Schuldnerin an die Ausrichtung ihrer fortgesetzten Tätigkeit im Gläubigerinteresse hinreichend Rechnung getragen“, erläuterte der Richter. Horstkotte forderte eine Korrektur tradierter Prämissen im Sinne einer Neubestimmung der Anforderungen, die an ein dritt gerichtetes, gesetzliches Schuldverhältnis zu stellen seien, das im Falle seiner Verletzung mit einer Schadenersatzsanktion verknüpft sei. Dadurch soll nach Meinung des Richters ein Haftungsgefälle zwischen dem Organ einer insolvenzbefangenen Schuldnerin und einem hinzugezogenen, insolvenzrechtlich versierten Berater ohne Organfunktion, aber mit Handlungsvollmacht im Außenverhältnis, vermieden werden.

Lukas Nazaruk (Leiter des Geschäftsbereichs FINPRO, Marsh GmbH) berichtete von seinen Erfahrungen mit der Haftung in der Eigenverwaltung (aus Sicht eines Versicherungsmaklers). „Die D&O-Versicherung gewinnt zunehmend an Bedeutung, gerade auch im Kontext von Restrukturierungs- und Eigenverwaltungsszenarien“, so Nazaruk. Das Urteil des OLG Düsseldorf vom 20. Juli 2018, wonach resultierende Ansprüche aus § 64 GmbHG im Rahmen der D&O-Versicherung nicht gedeckt sind, habe in Restrukturierungskreisen für Unruhe gesorgt. Daher riet Nazaruk Sanierungsgeschäftsführern, den in den Unternehmen vorhandenen Versicherungsschutz zu prüfen und sich den Versicherungsschutz auch für diese Ansprüche, sofern erforderlich, explizit bestätigen zu lassen oderdiese Ansprüche als explizit versicherte Ansprüche mit in die Bedingungswerke der D&O-Versicherung aufnehmen zu lassen. „Da Sanierungsgeschäftsführer oder Geschäftsführer in Eigenverwaltungsverfahren regelmäßig nur für einen beschränkten Zeitraum in den Unternehmen tätig sind, D&O-Versicherungsverträge aber regelmäßig von den Unternehmen als Versicherung für fremde Rechnung abgeschlossen werden, diese also nach Ausscheiden keinen unmittelbaren Zugriff mehr auf die Policen und etwaige Veränderungen haben, sollten sich die betroffenen Personen vor Mandatsantritt gut überlegen, ob sie sich nicht ggf. flankierend individuell absichern wollen“, riet Nazaruk.

Dr. Hölzle stellte mit Blick auf die Zukunft fest, dass es Gerichten künftig schwer fallen dürfte, Anträgen auf Eigenverwaltung stattzugeben, wenn der insolvenzrechtliche Berater nicht zum Organ der Gesellschaft bestellt werde, da dies wegen der dann fraglichen Haftungsallokation zu Fehlanreizen und damit typisiert zu Nachteilen im Sinne des § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO führe.

Nach Meinung von Thomas Oberle (Partner, Rechtsanwalt, SZA Schilling, Zutt & Anschütz Rechtsanwaltsgesellschaft mbH) habe der BGH mit seiner Entscheidung zur Haftung der Eigenverwaltung analog der Haftung des Insolvenzverwalters ein schlüssiges Haftungskonzept entwickelt. Denn während der Sachwalter entsprechend seinen gegenüber dem Insolvenzverwalter eingeschränkten Aufgaben auch nur eingeschränkt haften würde, sollen nun die Organe des Schuldners, die im Eigenverwaltungsverfahren die Aufgaben des Insolvenzverwalters erfüllen, so haften, wie auch ein Insolvenzverwalter haften würde. Des Weiteren berichtete Oberle, dass der Erfolg eines Eigenverwaltungsverfahrens wesentlich von der Befähigung der eigenverwaltenden Geschäftsleitungsorgane abhängen würde. Damit auch die Insolvenzverwaltungsaufgaben erfüllt werden können, müsse zusätzlich zur operativen Kompetenz auch die Erfahrung und Expertise eines Insolvenzverwalters vertreten sein. „Aufgrund meines Selbstverständnisses habe ich in Eigenverwaltungsverfahren bisher immer die Organfunktion und die damit verbundene Haftungsverantwortung übernommen“, so der Rechtsanwalt. Nach seiner Meinung sei es für die operative Geschäftsführung in der Eigenverwaltung dringend angeraten, einen entsprechend ausgewiesenen Fachmann an der Seite zu haben, um die Haftungsgefahren einzudämmen. Zum Thema Dual Track erklärte der Rechtsanwalt, dass gerade in Insolvenzplanverfahren, die in Eigenverwaltung geführt werden, die Gefahr von Interessenkollisionen gegeben sei. Um die sich daraus ergebenden Haftungsgefahren einzugrenzen, sollte nach Einschätzung des Rechtsanwalts die Verwertung des Unternehmens in einem Dual Track erfolgen.

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