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31.07.2024 | | Mitteilung der Pressestelle
Insolvenzantragspflicht reloaded: Wie Unternehmen sicherstellen, zwölf Monate durchfinanziert zu sein

• Die Insolvenzantragspflicht greift wieder voll – eine mögliche Überschuldung gewinnt dadurch für Unternehmen gerade angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen sehr an Bedeutung

• Strafbare Insolvenzverschleppung und Haftungsrisiken vermeiden – sind Unternehmen nicht für die nächsten zwölf Monate durchfinanziert, muss ein Insolvenzantrag gestellt werden

• Zahlungsunfähigkeit ebenfalls wichtiger Insolvenzgrund – ein Insolvenzantrag kann – unabhängig ob wegen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit - die Chance auf einen Neuanfang darstellen

Achern / Frankfurt. Angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Herausforderungen sollten sich Geschäftsleiter regelmäßig mit der Frage befassen, ob ihr Unternehmen unter Umständen insolvenzreif ist – gerade auch, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Denn seit dem 1. Januar 2024 gilt die Insolvenzantragspflicht wieder in vollem Umfang. Das bedeutet: Ein Unternehmen muss nun nachweisen können, dass es die nächsten zwölf Monate durchfinanziert ist, um keinen Insolvenzantrag wegen Überschuldung stellen zu müssen. Rechtsanwalt Alexander Eggen von Schultze & Braun erläutert, worauf Unternehmen bei dieser Anforderung achten sollten und wie sie Haftungsrisiken und strafrechtliche Konsequenzen durch eine (unbeabsichtigte) Insolvenzverschleppung vermeiden.

Was bedeutet zwölf Monate durchfinanziert?

Die Anforderung, zwölf Monate durchfinanziert zu sein, betrifft Kapitalgesellschaften – also etwa eine GmbH, UG oder AG – sowie den Insolvenzgrund Überschuldung (nicht Zahlungsunfähigkeit). „Überschuldet ist ein Unternehmen dann, wenn dessen Verbindlichkeiten höher als dessen Vermögen ist – es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich“, erläutert Eggen, der den Frankfurter Standort der bundesweit vertretenen Kanzlei Schultze & Braun leitet.

Um eine Überschuldung festzustellen, wird in der Regel das Vermögen den Verbindlichkeiten gegenübergestellt. Die Durchfinanzierung für zwölf Monate wird mittels einer sogenannten Fortführungsprognose dokumentiert. Die Basis der Prognose bildet ein Dreiklang aus Unternehmenskonzept, Finanzplan und Fortführungsprognose:

• Unternehmenskonzept: Das Unternehmenskonzept sollte aussagekräftig sein und den Sollverlauf darstellen.

• Finanzplan: Der Finanzplan basiert auf dem Sollverlauf und der Fortführungsprognose.

• Fortführungsprognose: Die Fortführungsprognose resultiert wiederum aus dem Finanzplan.

„Sind die wirtschaftlichen Grundlagen und Prämissen stabil, spricht nichts dagegen, bei der Fortführungsprognose mit Durchschnittswerten aus den vergangenen Jahren zu arbeiten. Wichtig ist jedoch, dass Geschäftsleiter die drei, aufeinander aufbauenden Punkte – also Unternehmenskonzept, Finanzplan und Fortführungsprognose – in regelmäßigen Abständen überprüfen und diese Überprüfungen dokumentieren“, sagt Eggen.

Kapitalgesellschaften: (Unbeabsichtigte) Insolvenzverschleppung droht

Doch was, wenn einem Unternehmer oder Geschäftsleiter Fortführungsprognosen schwerfallen, weil Aufträge nicht so wie bislang oder nur in Teilen hereinkommen? „Falls von den drei Punkten Unternehmenskonzept, Finanzplan und Fortführungsprognose einer ins Wanken gerät, sollten sich Unternehmer oder Geschäftsleiter schnell professionelle Hilfe holen und gegebenenfalls rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Insolvenzantrag wegen Überschuldung stellen“, rät Eggen. Andernfalls könnten eine finanzielle Haftung und mögliche strafrechtliche Folgen wegen Insolvenzverschleppung drohen, insbesondere, wenn das Finanzamt oder die Krankenkasse einen Insolvenzantrag gegen das Unternehmen stellen.

„Vereinfacht gesagt bedeutet Insolvenzverschleppung, dass der Geschäftsleiter eines Unternehmens die Insolvenzantragspflicht missachtet hat“, sagt Eggen. Die Insolvenzantragspflicht besteht bei einer sogenannten Kapitalgesellschaft – also im Wesentlichen bei einer GmbH, UG oder AG – wenn das Unternehmen seine fälligen Zahlungspflichten nicht mehr erfüllen kann oder überschuldet ist. „In einem solchen Fall ist ein Geschäftsleiter dazu verpflichtet, innerhalb der gesetzlichen Frist – je nach Insolvenzgrund drei oder sechs Wochen – einen Insolvenzantrag zu stellen“, erläutert der Rechtsanwalt, der bereits zahlreiche Unternehmen in diesem Zusammenhang beraten hat. „Wenn der Geschäftsleiter den Insolvenzantrag nicht oder verspätet stellt, begeht er Insolvenzverschleppung. In diesem Fall haftet er mit seinem Privatvermögen für Beträge, die nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung aus dem Unternehmen abgeflossen sind – etwa durch Zahlungen an Banken, Dienstleister oder Lieferanten.“

Haftungsrisiken auch für Einzelunternehmer und Personengesellschaften

Da bei der Antwort auf die Frage „Ist mein Unternehmen insolvenzreif?“ allerdings verschiedene Faktoren eine Rolle spielen, kommt es mitunter vor, dass Geschäftsleiter unbeabsichtigt in eine Insolvenzverschleppung hineinschlittern – gerade, wenn sie mit allen Mitteln versuchen, die finanzielle Schieflage ihres Unternehmens zu beheben. „Das schützt aber nicht vor den finanziellen Haftungsrisiken der Insolvenzverschleppung, die zudem zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und möglichen strafrechtlichen Konsequenzen führt“, sagt Rechtsanwalt Eggen. „Um Haftungsrisiken und strafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden, sollten sich Geschäftsleiter daher regelmäßig mit der Frage befassen, ob ihr Unternehmen unter Umständen insolvenzreif ist – gerade auch angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Herausforderungen und der seit dem 1. Januar 2024 wieder in vollem Umfang geltenden Insolvenzantragspflicht.“ Für Einzelunternehmer oder Geschäftsleiter einer sogenannten Personengesellschaft, also zum Beispiel einer GbR oder OHG gilt keine Insolvenzantragspflicht, da diese ohnehin für alle Verbindlichkeiten des Unternehmens in voller Höhe persönlich haften.

Zahlungsunfähig oder (noch) nicht?

Neben der Überschuldung ist die Zahlungsunfähigkeit der zweite wichtige Insolvenzgrund. Zahlungsunfähig ist ein Unternehmen, wenn es seine fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen kann. Der Geschäftsleiter ist dann auch verpflichtet, innerhalb der gesetzlichen Frist einen Insolvenzantrag zu stellen. Zahlungsunfähigkeit liegt nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn das Unternehmen zu einem Stichtag zehn Prozent oder mehr seiner fälligen Verbindlichkeiten mit den präsenten liquiden Mitteln nicht begleichen kann und diese Lücke auch nicht innerhalb von drei Wochen unter Beachtung der in dieser Zeit fällig werdenden Verbindlichkeiten mit den in diesem Zeitraum zusätzlich verfügbar werdenden liquiden Mitteln schließen kann.

Die Chance auf einen Neuanfang

Unabhängig von der jeweiligen Rechtsform des Unternehmens und gilt: Ein Insolvenzantrag bedeutet – und dabei macht es keinen Unterschied, ob er wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt wurde – nicht automatisch, dass die Unternehmensgeschichte an dieser Stelle endet. Die Insolvenz kann vielmehr die Chance auf einen Neuanfang darstellen. Je früher ein Insolvenzantrag vorbereitet wird, desto größer ist die Chance auf den Neuanfang. Wenn Gegenmaßnahmen frühzeitig eingeleitet werden, bestehen bessere Chancen auf einen erfolgreichen und nachhaltigen Ausgang. Die Devise lautet in jeden Fall: Im Krisenfall keine Zeit verlieren – gerade auch, weil die Insolvenzantragspflicht seit dem 1. Januar 2024 wieder in vollem Umfang greift.

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