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18.12.2019 | Stuttgarter Restrukturierungsforum | Mitteilung der Pressestelle
Chinesische Investoren: Weiße Ritter in der Krise?

Stuttgart, 17. Dezember 2019. Das Stuttgarter Restrukturierungsforum richtete am 26. November 2019 seinen Blick nach China. Rund 100 Gäste verfolgten die spannende Diskussion zu Möglichkeiten und Wirkungen chinesischer Investments in der Krise. Die fünf Experten auf dem Podium berichteten von ihren umfangreichen Erfahrungen mit dem Thema des Abends.

Dr. Alexandra Schluck-Amend (CMS Hasche Sigle) eröffnete den Abend und leitete zum Impulsvortrag, der von Dr. Hermann Meller (Partner, Dentons Europe LLP) gehalten wurde, über. Der China-Experte informierte das Publikum zunächst über einige Spezifika chinesischer Investitionsentscheidungen. Das chinesische staatliche Devisenamt (State Administration of Foreign Exchange (SAFE)) müsse Investitionen oberhalb von fünf Mio. US$ genehmigen. Meller machte deutlich, dass dies für den Investor einige formelle und materielle Hürden bedeute, die er zunächst überwinden müsse. Hintergrund sei, dass chinesische Devisenreserven in den vergangenen Jahren in erheblichem Umfang verbraucht worden seien. Aber auch in Deutschland bestünden für ausländische Investoren Schwierigkeiten. „Nicht nur das Kartellrecht macht manche Unternehmenskäufe unmöglich, auch das BMWI kann den Erwerb inländischer Unternehmen prüfen und im Zweifel verhindern“, so Meller. Nicht zuletzt würde auch die Skepsis in Deutschland bezüglich chinesischer Investments die Investoren zögerlich machen.

Dr. Dietmar Haffa (Schultze & Braun) und Bernhard Steffan (Ebner Stolz) moderierten die Podiumsdiskussion. Steffan berichtete zunächst, dass zum Beispiel vor Kurzem die Steigenberger-Dach-Hotelgesellschaft für 700 Mio. € an chinesische Investoren verkauft worden sei und stellte im Anschluss daran die Frage, ob das Interesse chinesischer Investoren wirklich abklinge. Darauf entgegnete Meller, dass Schlüsseltechnologien für chinesische Investoren grundsätzlich am interessantesten seien. Allerdings würden gute Beziehungen in Ausnahmefällen helfen. Alexander Manus (Director, Sigma Corporate Finance GmbH) ergänzte, dass aber auch andere konkrete Gründe, wie zum Beispiel der Ausbau einer globalen Hafeninfrastruktur wie in Piräus und Triest, im Zuge der chinesischen „One Belt, One Road Initiative“ („Neue Seidenstraße“) beim Investment in die Steigenberger-Dach-Hotelgesellschaft ausschlaggebend gewesen seien.

Auf die Frage, welche Unterschiede es bei staatlichen und privaten Unternehmen, die als Investor auftreten – insbesondere beim Kauf aus der Insolvenz – nannte Manus neben der Schwierigkeit, Entscheidungsträger zügig erreichen zu können vor allem die mangelnde Prozesserfahrung im Rahmen von internationalen Unternehmenstransaktionen. Mit erfahrenen chinesischen Privatunternehmen und börsennotierten Gesellschaften seien Transaktionsverfahren zwar in der Regel machbarer, allerdings stelle auch hier der Berater des Käufers eine wichtige Figur dar. „Er kann den Kontakt zu Entscheidungsträgern beschleunigen und auf der Kaufseite, in enger Abstimmung mit dem Berater des Verkäufers, den chinesischen Investor effektiv durch den Transaktionsprozess führen“, so Manus. Diese Meinung teilten auch Norbert Hettstedt (Managing Director, Zhongding Europe GmbH) und Dr. Peter Veranneman (Partner Deutschland, Bird & Bird LLP). Prof. Dr. Lucas F. Flöther (Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Partner, Flöther & Wissing Insolvenzverwaltung) konnte dies aus Verkäufersicht ebenfalls bestätigen und ergänzte, dass chinesische Investoren von den im Insolvenzverfahren häufig sehr engen, zeitlichen Vorgaben oft nicht zu überzeugen seien.

Des Weiteren berichtete Meller, dass häufig Targets gesucht würden, die es dem Investor ermöglichten, im deutschen Markt Fuß zu fassen. Es sei vorstellbar, dass das Kaufinteresse in der Zukunft wieder wachse. Nur bei Käufen aus der Insolvenz seien die zeitlichen Vorgaben für Chinesen – auch aufgrund der schwierigen, formellen Hürden – häufig nicht machbar. An dieser Stelle ergänzte Hettstedt, dass in China aktuell auch Angst vor weiterem Wachstumsrückgang herrsche. Bereits bei einem Wachstum von weniger als sechs Prozent entstünden Beschäftigungssorgen. Auch andere Krisen auf der Welt würden hier nicht stabilisierend wirken. Dass die Investorenaktivität von 2017 noch einmal erreicht werde, glaubte Hettstedt nicht.

Angesprochen auf Investitionsanreize aus chinesischer Sicht erklärte Hettstedt, dass beispielsweise beim Kauf einer überzeugenden Technologie ein chinesischer Investor das im Verhältnis zu anderen Märkten immer noch starke Wachstum in China zur rascheren Gewinnsteigerung nutzen könne. Außerdem würde dazu beitragen, dass solche Investments mitunter staatlich gewollt seien. An dieser Stelle ergänzte Veranneman, dass chinesische Investoren seiner Erfahrung nach auch langfristiger planen. „Planungen mit Gewinnen über wenige Jahre, wie unter deutschen Investoren üblich, sind in China seltener ein beschränkender Faktor“, so Veranneman. Flöther teilte diese Erfahrung nicht: „Die gebotenen Preise sind in der Vergangenheit nicht auffällig hoch gewesen.“ Er berichtete, dass chinesische Investoren mit Beteiligungen auch häufig unstrukturiert umgingen, sodass bisweilen recht ungesteuerte Folgeinsolvenzen auftreten würden. Auffällig sei außerdem die Beratungsresistenz in China. Hier versuchte Meller zwischen den beiden Kulturen zu vermitteln: „Für Chinesen sind der hiesige Markt und seine Spezifika so fremd wie der chinesische Markt für Deutsche.“ Meller ergänzte, dass gegenüber westlichen Beratern häufig, u. a. aus historischen Gründen, ein Vertrauensrückstand bestünde.

Angesprochen auf kulturelle Unterschiede, die beim Umgang mit chinesischen Investoren zu beachten seien, gab Veranneman zu bedenken, dass es in China aufgrund seiner Größe und regionalen Vielfalt viele unterschiedliche, kulturelle Einflüsse gebe. Vor allem eine aufmerksame Kommunikation sei sehr wichtig, da sich Chinesen im Investitionsprozess häufig schwer damit täten, Entscheidungsprobleme einzuräumen. Auch Hierarchieebenen blieben im Austausch häufig unklar. Allerdings helfe es, sich auch privat – in geselliger Runde – mit den Partnern zu umgeben. Dem pflichteten Hettstedt und Manus aus ihren Erfahrungen vor Ort in China bei.

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