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26.07.2018 | Stuttgarter Restrukturierungsforum | Mitteilung der Pressestelle
ESUG-Evaluation – Lessons learned?!

Stuttgart, 25. Juli 2018. Durch das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) wurde 2012 das deutsche Insolvenzrecht modernisiert. Ziel war es, die Restrukturierungschancen insolvenzbedrohter Unternehmen zu verbessern sowie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Insolvenzrechts zu erhöhen. Grund genug beim sechsten Stuttgarter Restrukturierungsforum über die Ergebnisse der ESUG-Evaluierung und deren Auswirkungen auf das deutsche Insolvenzrecht zu sprechen. Rund 100 Gäste verfolgten die lebhafte Diskussion am 26. Juni 2018.

Nach den einleitenden Worten von Dr. Alexandra Schluck-Amend (CMS Hasche Sigle) stellten Daniel Himmel (Senior Vice President, Recovery & Transformation Services, McKinsey) und Dr. Thomas Hoffmann (Rechtsanwalt, Partner, Noerr) als Einführung in das Thema die Ergebnisse ihrer „InsO Studie 2018“ vor. Um herauszufinden, wie gut sich das reformierte Insolvenzrecht in der Praxis bewährt, hatten McKinsey und Noerr Sanierungs- und Insolvenzexperten – darunter Rechtsanwälte, Berater, Richter, Rechtspfleger, Insolvenzverwalter, Gläubiger, Gesellschafter und Mitarbeiter von Banken – befragt. „Insgesamt wird das ESUG von den 350 an der Studie teilgenommenen Experten positiv gesehen. Jedoch bedarf es einer Nachjustierung“, so Himmel. Himmel und Dr. Hoffmann berichteten, dass die Mehrheit der befragten Experten professionellere Insolvenzgerichte für Deutschland forderte. Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie: 70 Prozent der Befragten plädierten für die Einführung des vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens in Deutschland. „Unsere Studie zeigt außerdem, dass die Mehrheit der Befragten es befürwortet, wenn das eigenverwaltende Organ wie ein Insolvenzverwalter haftet und Eigenverwaltungsverfahren nur für zuverlässige Schuldner möglich sind“, gab Himmel als weitere wichtige Kernaussage der Studie an.

Die anschließende Diskussion leiteten Burkhard Jung (Restrukturierungspartner) und Gunnar Müller-Henneberg (Schultze & Braun). Eberhard Nietzer (Richter, Amtsgericht Heilbronn) betonte, dass das Arbeiten auch für die Richter durch das ESUG komplexer geworden sei. Deswegen sei aus seiner Sicht eine weitere Professionalisierung der Gerichte sinnvoll. Damit bestätigte er ein zentrales Ergebnis der Insolvenz-Studie von McKinsey und Noerr. Auch Michael Pluta (Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, PLUTA Rechtsanwalts GmbH) berichtete von seinen praktischen Erfahrungen mit ESUG: „Mit Einführung des ESUG sind die Richter als unsere Kunden weggefallen. Dafür haben wir jetzt mit den Unternehmern neue Kunden“, so der Insolvenzverwalter. Diese müssten allerdings anders angesprochen werden als Richter. Dabei sei der gute Kontakt zu Beratern überlebenswichtig geworden. Auch Christian Wittwer (Abteilungsleiter Spezialkreditmanagement Abwicklung, Landesbank Baden-Württemberg) befürwortet das ESUG. Allerdings hat er Sorge, dass viele Eigenverwaltungen nicht die Qualität haben, wie sie ein guter Insolvenzverwalter liefern könnte. „Um die Unabhängigkeit in der Eigenverwaltung zu gewährleisten, ist es uns wichtig, dass es keine Pärchenbildung aus Eigenverwalter und Sachwalter gibt“, so der Banker.

Im Laufe des Abends entstand eine lebhafte Diskussion, in der die Vor- und Nachteile des ESUG erörtert wurden. Alle Beteiligten zeigten sich überzeugt davon, dass eine neue und vor allem bessere Sanierungskultur durch die Modernisierung des deutschen Insolvenzrechts entstanden ist. Wichtige Elemente, die es allerdings zu verbessern gelte, seien eine Konzentration der Gerichte, klare Haftungsregeln für die Eigenverwaltung sowie für den präventiven Restrukturierungsrahmen.

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