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18.12.2024 | | Mitteilung der Pressestelle
Einordnung aktueller TV-Berichterstattung: Nachholeffekte aus Coronajahren wirken sich auf Unternehmensinsolvenzen 2024 aus

Pünktlich zum Jahresende hat die Wirtschaftsauskunftei Creditreform eine Schätzung der jährlichen Zahlen zu den Unternehmensinsolvenzen aus 2024 veröffentlicht. Die Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung im Deutschen Anwaltverein (AGIS) ordnet die Prognose aus Sicht von Insolvenzrechts- und Sanierungsexperten ein und bezieht Stellung zur ZDF-Berichterstattung in der Hauptnachrichtensendung vom 16. Dezember 2024.

Berlin, 18. Dezember 2024 – Nach Veröffentlichung aktueller Schätzungen zu Firmeninsolvenzzahlen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform für das Jahr 2024 ist der Anstieg der Insolvenzfallzahlen als „massiv“ beschrieben worden, viele Unternehmen in Deutschland stecken der ZDF-Berichterstattung zur Folge in der Krise.

Dr. Rainer Eckert, Co-Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung (AGIS), erklärt dazu: „Wir beobachten in Folge der staatlichen Unterstützungsleistungen während der Corona-Pandemie eine Art Nachholeffekt: In der Coronakrise setzte sich trotz der erheblichen Beschränkungen für das Wirtschaftsleben durch die Lockdown-Maßnahmen zunächst der Trend der Vorjahre mit immer weniger Unternehmensinsolvenzen fort. Das lag zum einen an der zeitweiligen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, zum anderen an den staatlichen Hilfen für viele Unternehmen. Manche von ihnen finden sich jetzt zeitlich verzögert doch in einer Insolvenzsituation wieder, da die Ursachen für bereits vor der Pandemie bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht behoben wurden. Auch wenn der Anstieg über die letzten drei Jahre nun erheblich erscheint, haben wir es im langjährigen Vergleich weiterhin mit moderaten Fallzahlen zu tun.“

Vielfach werden ein unerwarteter Zinsanstieg sowie die derzeitige Wirtschaftspolitik als Kernauslöser für den aktuellen Anstieg der Fallzahlen bezeichnet. Dazu erklärt Dr. Anne Deike Riewe, Co-Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung (AGIS): „Steigende Zinsen erhöhen natürlich den Druck auf Unternehmen, die auf Darlehen zur Finanzierung ihrer Geschäftstätigkeit angewiesen sind. Allerdings stellt die Null-Zins-Situation der vergangenen Jahre nicht den marktwirtschaftlichen Normalfall dar, auf den sich Unternehmen verlassen können. Wirtschaftspolitisch mag man sich an der einen oder anderen Stelle für die Unternehmen vor allem mehr Verlässlichkeit wünschen. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass nicht jedes Geschäftsmodell funktioniert und auch unternehmerische Fehlentscheidungen wie fehlende Anpassungen an die Digitalisierung oder verändertes Kundenverhalten Krisenursachen darstellen können.“

Die Zahlen aus 2024 von Creditreform zeigen im Vergleich zu den Vorjahren 2021 bis 2023 einen Anstieg von geschätzt 14.100 auf 22.400. Historisch betrachtet waren demgegenüber in den Jahren 1999 bis 2013 jeweils mehr als 25.000 Unternehmensinsolvenzen zu verzeichnen gewesen. In den Folgejahren hatte man bei stetig sinkenden Fallzahlen bereits darüber diskutiert, ob hier nicht in Wahrheit eigentlich nicht mehr wettbewerbsfähige Unternehmen im Niedrigzinsumfeld als „Zombieunternehmen“ fortbestünden. Entgegen einer im Jahr 2019 erwarteten Trendwende ging die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Vergleich zu den Corona-Vorjahren ab 2019 aufgrund politischer Maßnahmen wie staatlicher Unterstützungsleistungen und der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nochmals deutlich zurück.

Zu beachten ist dabei, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung der seit dem 1.1.1999 geltenden Insolvenzordnung durchaus erreichen wollte, dass mehr Insolvenzverfahren eröffnet werden, dies allerdings auch mit dem Ziel, über das Verfahren den Weg in eine wirtschaftliche Neuaufstellung und Fortführung des Unternehmens zu ermöglichen. Die Sanierungsmöglichkeiten im Verfahren sind seither rechtlich weiter ausgebaut worden und werden auch praktisch genutzt. „Tatsächlich kann so auch ein Fall aus der Insolvenzstatistik ein für die Zukunft wieder gut aufgestelltes Unternehmen bedeuten, während an anderer Stelle Unternehmen ohne geordnetes Verfahren den Betrieb einstellen und vom Markt verschwinden,“ erläutert Dr. Riewe. „Eine dynamische Wirtschaft braucht ein gutes Insolvenzrecht, weil es in ihr auch immer Unternehmen gibt, die mit einer akuten finanziellen Krisensituation konfrontiert wird. Hier sind wir in Deutschland gut aufgestellt“, ergänzt Dr. Eckert.

Über die Arbeitsgemeinschaft:

Die Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung (AGIS) im Deutschen Anwaltverein (DAV) ist ein Zusammenschluss von über 1.400 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, deren berufliches Interesse sich besonders auf das Insolvenzrecht und die Sanierung von Unternehmen richtet. Die AGIS ist seit November 1999 als Arbeitsgemeinschaft im DAV organisiert. Sie ist bundesweit die größte deutsche Vereinigung von Insolvenzrechts- und Sanierungsexperten. Der Deutsche Insolvenzrechtstag, den die Arbeitsgemeinschaft 2004 ins Leben gerufen hat, ist die größte insolvenzrechtliche Veranstaltung in Europa. Darüber hinaus veranstaltet die Arbeitsgemeinschaft seit 2012 einmal jährlich den Europäischen Insolvenzrechtstag / European Insolvency & Restructuring Congress (EIRC) in Brüssel.

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